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Bitte ein Bitcoin: Tulpenmanie im 21. Jahrhundert?

Der Hype um die Währung ähnelt der Tulpenblase um 1630. Warum der Bitcoin besser ist als eine Tulpe und die Stadt Kempten lieber ein paar Blumen hätte.

Semper Augustus. Allzeit erhaben. So heißt der Bitcoin im Amsterdam der 1630er Jahre. Tulpen sind damals als Statussymbol sehr beliebt und entwickeln sich durch nahezu unregulierten Handel zu einem Spekulationsobjekt sondergleichen. Das schnelle Geld lockt Spekulanten und innerhalb weniger Jahre steigt der Preis einer Tulpenzwiebel um ein Vielfaches. Zur Hochphase der Tulpenmanie kann man eine Zwiebel der „Semper Augustus“ gegen eine Stadtvilla mitten in Amsterdam tauschen. Die Tulpenpreise fallen schließlich im Februar 1637 um bis zu 95 Prozent, und bringen so manchen Jünger des schnellen Geldes um sein Vermögen.Die enorme Preisentwicklung des Bitcoins erinnert and die Tulpenmanie – „die Mutter aller Spekulationsblasen“. Oft werden in den Medien daher Parallelen gezogen. Doch was haben die beiden Spekulationsobjekte wirklich gemeinsam und warum könnte die Stadt Kempten mit ein paar Tulpen mehr anfangen, als mit ihren Bitcoins?Die Hybris der GierBeginnen wir erst einmal beim Begriff der Spekulationsblase. Sie teilt sich – wie der Name schon sagt – viele Eigenschaften mit einer Seifenblase: Sie entsteht, wird größer und größer, steigt auf und platzt. Damit wird eine schöne Seifenblase zu nichts – mit einem Schlag. Bei einer Spekulationsblase ist das ähnlich, nur ein wenig komplizierter. Anleger oder Investoren kaufen ein Handelsgut, da sie überzeugt sind, es steigere seinen Wert. Kommt es zu einem Preisanstieg des Guts und schaffen es die Anleger das Gut zum neuen Wert zu verkaufen, haben sie Gewinn gemacht. Liegt ein Produkt nun im Trend, oder ist neu und findet großen Anklang, so steigert sich der Wert über längere Zeit. Bei einer Blase treibt das Vertrauen der Händler in die Preissteigerung des Produkts den Wert irrational in die Höhe. Denn: Wer glaubt, dass der Whiskey in Zukunft mehr wert ist, der ist auch bereit, mehr für den Whiskey zu zahlen. Es entsteht ein Kreislauf, der den Handelspreis vom realen Wert des Guts vollkommen entkoppelt.Dadurch gibt es keine Grenzen mehr. Eine Tulpenzwiebel zum Preis einer Stadtvilla? Ein bisschen Rechenleistung und Strom für das gleiche Geld wie ein Kleinwagen? Kein Problem! Laut dem Gabler Banklexikon ist eine Spekulationsblase ein „überkaufter Markt“ und „platzt, sobald gesicherte Erkenntnisse über den tatsächlichen Wert des Spekulationsobjekts vorliegen“.Was kann eigentlich eine Tulpe?Bei einer Tulpe ist die Einschätzung des Wertes relativ einfach. Es ist eine Blume, je nach Auge des Betrachters auch eine besonders schöne. Wenn man eine Tulpenzwiebel kauft, kann man diese im Herbst pflanzen und erfreut sich dann im Frühjahr an dem schönen Garten. Je nachdem, wieviel Freude jemandem dieser Anblick bereitet, ist er auch bereit, mehr für eine Zwiebel zu zahlen. Dadurch, dass die Blume im Holland des 17. Jahrhunderts vor allem als Luxus- und Statussymbol galt, waren die Menschen auch bereit, mehr Gulden in die Hand zu nehmen. Doch nimmt man den Gegenwert in der Währung weg, kann eine Tulpe genau das: Gepflanzt werden, wachsen und dann eventuell schön aussehen.Illegales e-CommerceBei einem Bitcoin ist die Bewertung nicht so leicht. Welchen Nutzen oder Wert hat ein Bitcoin? Die größte aller Kryptowährungen ist eine nicht staatlich organisierte Währung und wird von den Staaten bisher geduldet. Das bedeutet, dass ein Umtausch von Bitcoin in Euro, Dollar, Yen und andere anerkannte Währungen möglich ist. 2018 etwa waren Bitcoins lediglich in Ecuador, Bolivien, Marokko, Algerien, Russland, Bangladesch, Afghanistan und Montenegro verboten. Im größten Teil des Weltmarktes kann man diese aber immer noch in die Landeswährung umtauschen. Kombiniert man das mit der Anonymität im Bitcoinsystem, so stehen die Zeichen deutlich auf Geldwäsche. Das anonyme Zahlungssystem ermöglicht kriminelle Zahlungen. Die amerikanische Analysefirma Chainalysis veröffentlicht jedes Jahr den Crypto Crime Report (CCR). Darin untersucht das Unternehmen, wie viele illegale Überweisungen in sämtlichen Kryptowährungen getätigt werden. Im Jahr 2019 entsprach der Gegenwert dieser Finanzströme laut CCR fast zwölf Milliarden US-Dollar in 25 Kryptowährungen. Die Transaktionen aller Digitalwährungen – fast 300 – entsprachen 2019 einem Wert von 13,8 Billionen US-Dollar. Der Anteil der illegalen Transaktionen liegt also deutlich unter ein Prozent.Die Hälfte des Cashflows stinktDas klingt erstmal nach wenig. Sieht man sich allerdings nur den Bitcoin an, sieht die Lage schon deutlich prekärer aus. Der Bitcoin ist die wertvollste und bekannteste unter den Kryptowährungen. Im Januar 2018, also direkt nach dem ersten großen Hype, veröffentlichte ein Zusammenschluss von internationalen Hochschulen eine Arbeit über die illegalen Aktivitäten mit Kryptowährungen. Laut diesem Report wurden rund ein Viertel der Bitcoinnutzer und die Hälfte aller Bitcointransaktionen mit illegalen Aktivitäten in Verbindung gebracht. Bei einem Gesamtvolumen von aktuell um die 600 Milliarden Euro, sind diese Zahlen mindestens ernüchternd. Doch seit 2018 hat sich auch viel getan. Immer mehr Unternehmen akzeptieren Bitcoin als Zahlungsmittel. So unter anderem Microsoft, AT&T, Burger King und Subway.Auch viele kleinere Firmen akzeptieren Kryptowährungen, wie eine Studie von HSB herausfand. 36 Prozent der kleinen bis mittleren Firmen in Amerika, um genau zu sein.Die Währung hat also in den letzten Jahren den Nutzen gesteigert und irrt nicht mehr nur als Idee und unregulierte Geldwaschmaschine durchs Internet. Man kann jetzt behaupten, dass man mit Bitcoins ein Subway-Sandwich kaufen kann, sofern die Coins nicht als Spekulationsobjekt dienen. Wie viel dieser intrinsische Nutzen aber tatsächlich wert ist, ist noch nicht klar. Und wie Dr. Gerd Waschbusch, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität des Saarlandes, im Gabler Banklexikon so treffend erklärt: „Die Spekulationsblase platzt, sobald gesicherte Erkenntnisse über den tatsächlichen Wert [...] vorliegen.“Zudem verlangt es immer noch einiges an technischem Wissen, um eine Transaktion im BTC-System durchzuführen, womit der Zugang zur Währung nicht jedem allzu leicht fallen dürfte. Doch genau diesen Zweck sollte eine Währung eigentlich erfüllen: Ein Tauschgut, das möglichst universell akzeptiert wird.Der größte Vorteil des Systems kann gleichzeitig zum größten Nachteil mutieren. Bitcoins können direkt von Person zu Person überwiesen werden, ohne irgendeine zwischengeschaltete Institution. Das bedeutet aber auch, dass man auf sich allein gestellt ist, wenn man den PIN einmal vergisst. Viele Millionen Euro und Dollar in Bitcoin schlummern in Wallets, die nicht mehr geöffnet werden können, da die Besitzer das Passwort vergessen haben.Mit einem Passwort kommt man in seinen digitalen Geldbeutel, den Wallet. Dort werden die eigenen Bitcoins gesammelt und aufgehoben. Vergisst man das Passwort, gibt es nur sehr selten Möglichkeiten, wieder an die Digitalmünzen zu kommen.Ist Kempten jetzt reich oder nicht?In einer ähnlichen Situation befindet sich die Stadt Kempten. Die ansässige Staatsanwaltschaft hat 2014 einen damals 29-jährigen unter anderem wegen Computerbetrugs verurteilt. Die 1800 Bitcoins, die sich in seinem Besitz befanden, gehören von da an der Staatsanwaltschaft. 86 dieser Coins waren unverschlüsselt und wurden 2018 für über 500 000 Euro verkauft. Das Geld ging in die Staatskasse. Die restlichen 1 730 Kryptomünzen sind passwortgeschützt und gut gesichert. Ob die Staatsanwaltschaft diesen Schatz je öffnen kann, ist fraglich. Zum Zeitpunkt, als dieser Artikel geschrieben wurde, war der Preis eines Bitcoins bei 32 786,90 Euro. Das entspricht aktuell knapp 57 Millionen Euro, die vielleicht nie geborgen werden können und somit wertlos wären. Für 1 730 Tulpen könnte man dagegen vielen Mitarbeitern eine kleine Freude machen. Oder sie auf dem Wochenmarkt verkaufen. Denn auch wenn eine Tulpenzwiebel heute nicht mehr zum Preis eines Einfamilienhauses den Besitzer wechselt – wertvoller als die unerreichbaren Bitcoins sind sie allemal.    

So funktioniert's

Jeder Bitcoingeldbeutel hat eine Adresse, die ihn eindeutig identifiziert. Um jemandem Coins überweisen zu können, muss man also die genaue Adresse des Empfängerwallets kennen. Zudem enthalten die digitalen Geldbörsen einen geheimen Datenblock („Seed“), der eine Transaktion signiert. Dadurch wird ein mathematischer Beweis erbracht, der den Eigentümer des Wallets bestätigt und die Transaktion somit verifiziert. Durch diese Signatur kann die Überweisung nachträglich nicht verändert werden. Alle Transaktionen sammeln sich anschließend als Datenblöcke im Netzwerk (daher auch der Begriff Blockchain, englisch für "Kette aus Blöcken"). Diese Blöcke müssen durch das Entschlüsseln langwieriger und aufwendiger Rechnungen geknackt werden. Erst dann wird die Transaktion auch tatsächlich durchgeführt. Dieses Durchrechnen wird von den sogenannten „Minern“ übernommen. Das sind wechselnde Mitglieder des Netzwerks, die mithilfe elektronischer Rechenleistung versuchen, die Datenblöcke zu knacken. Derjenige, der es schafft und somit den Block in der Blockchain verarbeitet erhält 12,5 Bitcoins zur Belohnung. Das ist die einzige Art und Weise, wie sich die Anzahl der Währung steigert. Bitcoins sind auf 21 Millionen Stück beschränkt. Bisher sind circa 18,5 Millionen Bitcoins im Umlauf.

Die Anfänge

Die erste Erwähnung findet das Konzept im Jahr 2008 in einem sogenannten Whitepaper (eine Art Konzeptentwurf). Das Paper wird von einem gewissen Satoshi Nakamoto veröffentlicht. Wer hinter dem Pseudonym steckt ist bis heute unklar.

Auf acht Seiten stellt Nakamoto die technischen Grundlagen der Währung vor. Die Idee ist ein elektronisches Währungssystem, in dem Onlineüberweisungen zwischen den teilnehmenden Personen ausgeführt werden können, ohne dafür von einem Finanzinstitut bestätigt werden zu müssen. Das bedeutet, dass zwischen den Transaktionen weder Banken, noch andere Finanzinstitutionen stehen. Das Geld geht direkt von Besitzer zu Empfänger.

Das Geld, beziehungsweise die Bitcoins werden in sogenannten Wallets aufbewahrt. Das sind digitale Geldbörsen, die man sich auf den PC oder auf das Smartphone herunterladen kann. Zudem werden Bitcoins nicht von einer Bank verwaltet, sondern in der Blockchain (engl. „Blockkette") . Hier kann das Konto von niemandem gesperrt werden und es gibt in dem System keine täglichen Überweisungslimits, wie das bei einer Bank oftmals der Fall ist.