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Multinationale Teams

Kulturelle Unterschiede wahrnehmen und akzeptieren

Foto: Good Studio-stock.adobe.com

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Bei grenzüberschreitenden Projekten mit Partnern aus anderen westlichen Industriestaaten unterschätzen Unternehmen oft die kulturellen Unterschiede. Deshalb bereiten sie die Projektmitglieder unzureichend auf die Zusammenarbeit vor.Auswanderer stellen nach ein, zwei Jahren in der Fremde oft erstaunt fest: Jetzt lebe ich zwar im Ausland, doch meine besten Freunde sind Landsleute von mir. Dabei nahm ich mir vor dem Auswandern vor, enge persönliche Beziehungen zu den „Einheimischen“ zu knüpfen.

Die meisten Personen, die bisher nur ihren Urlaub im Ausland verbrachten, unterschätzen, wie stark sie ihre Heimat prägte. Sie unterschätzen auch, wie sehr es sie mit ihren Landsleuten verbindet, dass sie

- dasselbe Schulsystem durchliefen,
- von Kindesbeinen an dieselben Radiosender hörten,
- es gewohnt sind, den Müll zu trennen,
- und, und, und ...

All diese Faktoren prägen unser Empfinden und Erleben und somit auch das, was uns wichtig ist. Deshalb haben Deutsche im Ausland oft das Gefühl: Meine Landsleute verstehen mich besser und schneller als „Einheimische“.

Denn erst im tagtäglichen Miteinander registrieren sie die kulturellen Unterschiede im Empfinden, die zu einem unterschiedlichen Verhalten führen. Diese Unterschiede gilt es zu reflektieren. Sonst erwachsen hieraus Vorurteile, die sich mit der Zeit zu (Negativ-)Urteilen verfestigen.

Kulturelle Unterschiede

Zwei Beispiele: Oft wandern Personen aus, um „stressfreier“ zu leben. Doch nach kurzer Zeit klagen sie über die Laisser-faire-Mentalität ihrer neuen Mitbürger. Und Personen, die ihrem Vaterland den Rücken kehrten, weil ihnen die Bürokratie „die Luft zum Atmen“ nahm? Sie klagen häufig schon wenige Wochen später darüber, wie willkürlich und behäbig die Behörden in ihrer neuen Heimat agieren.

Ähnliche Prozesse registriert man in Unternehmen, deren Mitarbeiter plötzlich mit ausländischen Partnern kooperieren müssen – zum Beispiel, weil ihr Arbeitgeber in Spanien ein neues Werk eröffnete. Oder mit einem US-amerikanischen Mitbewerber fusionierte.

In solchen Situationen unterschätzen Unternehmen und ihre Mitarbeiter anfangs oft die kulturellen Implikationen der Zusammenarbeit – und zwar auch dann, wenn die neuen Partner keine „Exoten“, sondern zum Beispiel Dänen oder Franzosen, Engländer oder US-Amerikaner sind. Denn weil die westlichen Industrienationen gemeinsame kulturelle Wurzeln haben, erscheint an der Oberfläche vieles gleich.

Vorurteile

Doch dann startet das Projekt. Und einige Zeit später merken die Verantwortlichen: Irgendwie läuft das Ganze nicht wie geplant. Ständig gibt es Reibereien, und unsere Botschaften kommen nicht an. Dann reift in ihnen allmählich die Erkenntnis: Die kulturellen Unterschiede sind größer als gedacht. Doch leider ist es dann oft zu spät, das Ruder herumzureißen.

Denn zu diesem Zeitpunkt haben sich die latenten Vor-Urteile, die jeder Mensch gegenüber Personen aus anderen Kulturen hegt, häufig bereits zu Urteilen verfestigt – Urteilen, die sich in pauschalisierenden Aussagen und Gedanken wie „Die Spanier...“ oder „Die Amerikaner sind halt so“ manifestieren. Das heißt, ausgeblendet wird, dass es „den Spanier“ oder „Amerikaner“ ebenso wie „den Deutschen“ nicht gibt – selbst wenn gewisse Verhaltensmuster in den einzelnen Kulturen verschieden stark ausgeprägt sind.

Es wird auch nicht mehr reflektiert, dass jedes Verhalten aus einem bestimmten Erleben resultiert. Deshalb ist vielfach kein Verstehen möglich. Vielmehr werden die Verhaltensmuster mit Werturteilen verknüpft wie: „Die Amerikaner sind halt oberflächlicher als wir.“ Oder: „Die Spanier sind wie alle Südländer unzuverlässig“. Und diese Verknüpfungen wieder aufzulösen, ist meist schwer, denn sie sind in der subjektiven Wahrnehmung mit konkreten Erfahrungen hinterlegt.

Persönliches Treffen

Telefonate, E-Mails und Videokonferenzen können ein persönliches Sich-Begegnen und -Kennenlernen nicht ersetzen. Denn wie Menschen zusammenarbeiten, hängt stark davon ab, inwieweit sie die Reaktion des jeweils anderen einschätzen können und ihm vertrauen. Und dies setzt voraus, dass die betreffenden Personen ein wechselseitiges Bild voneinander und einen gemeinsamen Schatz an Erfahrungen haben. (Sabine Machwürth)