Bain-Studie zu E-Mobilität
Der Umbruch in der Automobilbranche geht weiter
Die internationale Automobilindustrie ist zurzeit doppelt gefordert. Sie muss die Auswirkungen der Corona-Krise verkraften und gleichzeitig den grundlegenden Umbruch der Branche bewältigen. Elektromobilität und autonomes Fahren werden sich noch in diesem Jahrzehnt vom Nischen- zum Massenmarkt entwickeln. Diesen sogenannten Tipping Point werden E-Autos bis 2024 erreichen, beim autonomen Fahren mit Robotaxis wird es bis 2028 dauern. Die aktuelle Krise kann diesen Wandel in Teilen beschleunigen. Bereits 2025 werden weltweit etwa 12 Prozent aller Neufahrzeuge elektrisch angetrieben sein, bis 2040 sind es mehr als die Hälfte. Der Marktanteil autonomer Fahrzeuge dürfte sich zwischen 2030 und 2040 vervierfachen. Zu diesen Ergebnissen kommt die Studie „Endspiel in der Automobilindustrie: Entscheidend ist der Tipping Point“ der internationalen Unternehmensberatung Bain & Company.
E-Mobilität: Kundenakzeptanz erhöhen
Derweil gewinnt die Elektromobilität weiter an Dynamik. Laut der Bain-Studie erreichen die gesamten Anschaffungs- und Betriebskosten (Total Cost of Ownership) eines E-Autos bereits in diesem Jahr das Niveau eines konventionell angetriebenen Fahrzeugs. Dabei hängt der genaue Zeitpunkt des Übergangs zum Massenmarkt je Region im Wesentlichen vom Fahrzeugsegment, von den Batteriekosten, dem Strom- und Benzinpreis sowie von staatlichen Stützungsmaßnahmen ab. Die Studie geht davon aus, dass die durchschnittlichen Kosten für Batteriepacks 2025 rund 85 Euro pro Kilowattstunde betragen werden. Das sind 36 Prozent weniger als 2018. Zudem werden die Autohersteller bis dahin voraussichtlich weit mehr als 200 neue E-Modelle anbieten und mit einem steigenden Anteil in der Mini- und Kompaktklasse weitere Käuferschichten ansprechen können.
In letzter Zeit nimmt in der Bevölkerung der Wunsch nach geschützten Mobilitätsräumen zu, was sich positiv auf die Fahrzeugnachfrage auswirken kann. Staatliche Förderungs- und Stützungsmaßnahmen könnten dem Markt kurzfristig weitere Dynamik verleihen - und bei entsprechender Ausrichtung der Maßnahmen könnte insbesondere die Elektromobilität profitieren.
„Die Kundenakzeptanz wird letztlich entscheidend sein für den Durchbruch der Elektromobilität“, ist sich Bain-Partner und Studien-Co-Autor Marco Gerrits sicher. „Neben den bisherigen Käufern von E-Autos, die oft aus gehobenen, progressiven Schichten stammen, müssen in Zukunft auch traditionelle Kundensegmente gewonnen werden.“ Diese würden vor allem auf Funktionalität und Praktikabilität achten, sprich Reichweite, einfache und gut funktionierende Lade- sowie Bezahlvorgänge und - im Vergleich zu Verbrennern - günstige Gesamtkosten.
Autonomes Fahren: Hürden überwinden
Für den langfristigen Erfolg des autonomen Fahrens sprechen die wachsende technologische Reife sowie aussichtsreiche Pilotprojekte mit Robotaxis und Autobahnpiloten auf Level-4-Niveau. Laut Bain-Studie wird der Anteil autonomer Fahrzeuge an den Neuzulassungen bis 2030 in Nordamerika auf 9 Prozent steigen, in Europa auf 6 Prozent und im Raum Asien-Pazifik auf 4 Prozent. Bis 2040 könnten sich diese Werte mehr als vervierfachen. Für den Massenmarkt müssen die Autohersteller allerdings so manche Hürden nehmen wie Allwettertauglichkeit oder das Beherrschen von unübersichtlichem Verkehrsaufkommen. Zudem fehlen bislang weitgehend verbindliche rechtliche Rahmenbedingungen.
Darüber hinaus müssen die Kosten für die autonomen Systeme signifikant reduziert werden. Diese belaufen sich für Robotaxis derzeit auf rund 65.000 Euro, könnten aber bis 2030 nach Bain-Analysen um mehr als 85 Prozent sinken, auf dann 8.000 bis 10.000 Euro. Zu diesem Preispunkt können ab 2024 urbane autonome Mobilitätssysteme realisiert werden. Innovative Städte werden versuchen, die Vorteile der Robotaxis zu nutzen und sie intelligent in den öffentlichen Personennahverkehr zu integrieren.
Geschäftsmodell effizienter gestalten
Für die Automobilindustrie bedeutet die Entwicklung hin zu E-Autos und autonomem Fahren zunächst steigende Kosten. Ohne weitere Gegenmaßnahmen könnte die Umsatzrendite der Fahrzeughersteller, insbesondere wegen der zunächst hohen Batteriekosten, über die nächsten Jahre im Schnitt um 2 bis 3 Prozentpunkte sinken. Laut Bain-Studie lassen sich ab 2025 mit Elektroantrieben Gewinnspannen erreichen, wie sie mit Verbrennungsmotoren erzielt werden. Quelle: Bain & Company/ots
Mit E-Autos unterwegs
Elektromobilität ist auf dem Weg zum Massenverkehrsmittel
In enger Abstimmung mit Politik und Gewerkschaft arbeitet die deutsche Automobilindustrie intensiv daran, die Wende zur Elektromobilität erfolgreich zu gestalten.
Flüsterleise, volles Drehmoment aus dem Stand, ohne "Schaltlöcher" unterwegs: Das besondere Fahrgefühl von Elektroautos überzeugt auch jenseits der Umweltvorteile reiner Stromfahrzeuge. E-Autos sind entsprechend keine Exoten mehr im Straßenbild. Das Konzept steckt längst nicht mehr in den Kinderschuhen, Autohäuser bieten vermehrt die Elektrovarianten an und der Verbraucher greift gerne zu. Die Zulassungen steigen, wenn auch noch nicht so schnell wie von der Regierung gewünscht. Doch das könnte sich bald ändern, sagen Experten für Elektromobilität.
Wie teuer ist E-Mobilität?
Im Anschaffungspreis sind E-Mobile im Vergleich zu Dieseln oder Benzinern zwar immer noch teurer, doch durch Steuererleichterung, das Senken der Mehrwertsteuer, staatliche Förderung und niedrigere Betriebskosten rechnen sich die Mehrausgaben schon nach ein paar Jahren. Die Energiekosten liegen im Vergleich zu Verbrennungsmotoren in der Regel bei weniger als der Hälfte. Und auch die Wartungskosten sind günstiger, da Bremsbeläge langsamer verschleißen und keine Öl- und Filterwechsel anfallen." All das sind Gründe dafür, dass viele Fahrer von Elektroautos sich nicht mehr vorstellen können, wieder auf ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor zu wechseln.
Wie weit komme ich und wo finde ich eine Ladestation?
Mit Reichweiten zwischen 150 und 400 Kilometern sind "Stromer" heute zwar noch keine Streckenkönige, für die meisten Fahrten aber definitiv alltagstauglich. Laut Kraftfahrtbundesamt fahren Pkw in Deutschland im Schnitt weniger als 50 Kilometer am Tag – kein Problem mit E-Autos. Geladen werden sie meist über Nacht zu Hause, idealerweise über eine sogenannte Wallbox und nicht an herkömmlichen Schuko-Steckdosen. Das geht zwar auch, in der Regel sind aber weder die Leitungen noch die Steckdosen für diese Dauerlast ausgelegt und es besteht die Gefahr von Kurzschlüssen und Kabelbränden.
Mehr als 17 500 Ladepunkte
Fürs Nachladen unterwegs gibt es mittlerweile mehr als 17 500 Ladepunkte in Deutschland, die sich über Apps mühelos finden lassen. Die Ladeinfrastruktur wird durch Gemeinden, Unternehmen, die Automobilbranche und Energieversorger weiter ausgebaut. An normalen Ladestationen (AC) lässt sich der Akku in ein paar Stunden soweit aufladen, dass man das nächste Ziel bequem erreicht. An Schnellladern (DC) lässt sich der Akku der meisten E-Autos in etwa 20 Minuten zu 80 Prozent laden. Ultraschnelle Ladestationen schaffen in der gleichen Zeit bei kompatiblen Fahrzeugen eine Vollladung. Dem Umstieg auf E-Autos steht also nichts im Weg.