Lokales

„Mehr als eine Herzensangelegenheit“

Waltenhofener Zahnärztin Dr. Sybille Keller operiert in Nepal Bedürftige

Sybille Keller während eines zahnmedizinischen Eingriffes im Sushma Koirala Memorial Hospital in Nepal. Foto: Sybille Keller

Sybille Keller während eines zahnmedizinischen Eingriffes im Sushma Koirala Memorial Hospital in Nepal. Foto: Sybille Keller

„Wer gibt, bekommt etwas zurück“. Dieser Satz trifft im Fall von Sybille Keller wohl noch mehr zu, als bei anderen Menschen. Seit fast 20 Jahren engagiert sie sich als Zahnärztin, Humanistin und gute Seele in Nepal – einem der ärmsten Länder der Welt.

Tatsächlich könnte man sagen: Sybille Keller hat bereits drei Leben gelebt. Das erste in ihrer sächsischen Heimat. Von dort floh sie noch vor der Wende 1989 nur mit einer Handtasche und einem Koffer „aus dem Gefängnis DDR“ über Ungarn und Österreich ins Allgäu. Hier begann ihr zweites Leben: Mit Fleiß und der Unterstützung von Förderern und Freunden baute sie sich in Waltenhofen eine Existenz auf und betreibt hier seit 1991 ihre eigene Zahnarztpraxis.

Aus dem Bauch heraus

Und zuletzt Leben Nummer drei – jenes in Nepal, das für sie zu einer zweiten Heimat geworden ist. Vor 21 Jahren entdeckte Keller einen Flyer, auf dem Zahnärzte für einen Einsatz in Nepal gesucht wurden. „Es war eine Bauchentscheidung. Ich habe keine drei Sekunden nachgedacht, dann habe ich mich gemeldet“, sagt sie. 1999 fliegt sie zum ersten Mal in den asiatischen Staat und ist schockiert von der Armut und dem Elend. „Die Menschen dort haben nichts. Es gab so gut wie keine zahnmedizinische Versorgung, Leute sind an Zahnentzündungen gestorben und hatten unendliche Schmerzen.“

Das Memorial-Hospital

Nahe der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu liegt das Sushma Koirala Memorial Hospital in Sankhu. Das Hilfsprojekt wurde 1996 von Interplast Germany und dem Sushma Koirala Memorial Trust gegründet und 1997 in Betrieb genommen. Im Laufe der nächsten Jahre wurde das Krankenhaus nach mitteleuropäischen Standards ausgebaut. Die Kemptener Zahnärztin startet von dort aus mit tragbaren zahnärztlichen Einheiten ins Hinterland, um die abgeschottete Landbevölkerung ebenfalls zu versorgen. Über 50 Mal ist sie seit 1999 bereits zu Entwicklungseinsätzen nach Nepal, Indien und Sri Lanka geflogen.

Hilfe im Bürgerkrieg

Nepal allerdings ist längst mehr als eine Herzensangelegenheit geworden, nichts und niemand kann sie davon abbringen, dort zu helfen. Selbst während des Bürgerkriegs, der bis 2006 dauerte, wagt sich Keller ins Maoistengebiet vor, um in einem Lager Soldaten, deren Familien und Menschen aller Altersgruppen zu behandeln. „Ich habe keine Angst. Ich kenne die Menschen dort, ich liebe sie und sie geben mir ihre Liebe zurück.“

Wie eng ihre Verbindung zu Land und Leuten ist, zeigt auch die Tatsache, dass sie immer wieder junge Nepalesen auf dem Weg in ein besseres Leben unterstützt. Einem Mädchen verhalf sie 2012 zu einem Zahnarztstudium, inzwischen studiert die junge Frau in Deutschland. Und dann gibt es die beiden Ziehsöhne. Guna (21), einst als Kind in einem Wald in Nepal aufgefunden. Ihm bezahlte Keller zusammen mit einer Freundin das Schulgeld, später studierte er in Kathmandu Ingenieurswesen für Brücken- und Straßenbau. Und Khsitiz, der seinen Master schließlich an der FH Kempten machte. „Mir geht es gut, mir wurde geholfen, als ich 1989 mit nichts aus der DDR kam. Es ist meine Art, etwas zurückzugeben“, erklärt Keller ihre Motivation.

...und dann kam Corona

Am 15. März 2020 kehrt die Zahnärztin von ihrer letzten Reise zurück. Fünf Tage später folgt der Lockdown in Bayern und die Coronakrise überrollt die Welt. Am 18. Mai diesen Jahres wollte sie für einen Hilfseinsatz nach Singapur fliegen, doch der Flughafen wurde in der Nacht auf den 11. Mai wegen der Infektionslage geschlossen. Auch der Flugplatz in Kathmandu wurde dicht gemacht. Die Lage vor Ort? "Die Leute sterben wie die Fliegen", schildert Keller eindrücklich. Das traditionelle Krematorium Pashupatinath in Kathmandu läuft auf Hochtouren. "Ich habe kurzfristig 1 000 Euro für Sauerstoffgeräte nach Nepal geschickt", erklärt die Delegierte der Bayerischen Ärztekammer. Nach knapp 35 Telefonaten in der Nacht der Flughafenschließung sind 3 500 Euro in Waltenhofen gesammelt, benötigt werden 6 000. Der Manager vor Ort und Familienfreund der Waltenhofenerin hat Reis und Linsen gekauft und verteilt das Essen an Familien in den Bergen.
  

Wer das Engagement von Dr. Keller unterstützen möchte, kann an folgende Adresse spenden:

Volks- und Raiffeisenbank Muldental e.G.
IBAN DE67 8609 5484 5000 1667 76
SWIFT-BIC GENODEF1GMW

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