Leben

Bundesweites Pilotprojekt in der Rehaklinik Überruh

«Verhaltensmedizinisch Orientierte Rehabilitation» (VOR bei Herz-/Kreislauf- und Lungenerkrankungen)

Therapeutische Angebote inmitten Natur und Ruhe Foto: Rehaklinik Überruh

Therapeutische Angebote inmitten Natur und Ruhe Foto: Rehaklinik Überruh

Im Pilotprojekt VOR bei Herz-/ Kreislauf- und Lungenerkrankungen stellt sich die Rehaklinik Überruh mit ihrem Behandlungskonzept dem dringend notwendigen Anspruch, den rein krankheitsorientierten Ansatz zu erweitern. Vor allem im Bereich der Inneren Medizin ist die Rehabilitandenstruktur, so lehrt uns die Erfahrung und die gegenwärtige Entwicklung, geprägt von Multimorbidität und Chronifizierung sowie psychischen Erkrankungen.Angesichts der aktuellen Entwicklungen in der Rehabilitationsmedizin und der Bedürfnisse der Rehabilitanden gilt es, die monoindikative Vorgehensweise kritisch zu hinterfragen und neue, erweiterte Konzepte zu etablieren. Denn: Psychische und psychosomatische Nebenerkrankungen spielen oftmals zusammen und verstärken die Beeinträchtigung der physischen und psychischen Gesundheit.Psychische Komorbidität bei chronischen ErkrankungenEs ist bekannt, dass ca. 20 bis 30% der RehabilitandInnen mit körperlich internistischen Grunderkrankungen psychische Begleit- und Nebenerkrankungen aufweisen. Man spricht von einer psychischen Komorbidität, wenn bei einer körperlichen Erkrankung gleichzeitig oder im Verlauf der Erkrankung eine psychische Störung auftritt. Begleitende psychische Störungen sind mit einer geringeren Lebensqualität verbunden und tragen zur Chronifizierung der Erkrankung bei. Ebenso gehen chronisch körperliche Erkrankungen oft mit psychosozialen Belastungen einher, wobei familiäre, soziale, emotionale, finanzielle, berufliche und existenzielle Probleme im Verlauf der Erkrankung in den Vordergrund rücken können. Das Risiko, eine psychische Störung oder eine psychosoziale Belastung zu entwickeln, ist bei Menschen mit einer chronischen Erkrankung bis zu zwei bis drei Mal so hoch wie bei Gesunden. Somit stellen die psychischen Störungen für alle im Gesundheits- und Sozialbereich Tätigen eine wachsende Herausforderung dar.Für den Rentenversicherer bedeutet das einen erhöhten Rehabilitationsbedarf und, bei zunehmender Bedeutung der psychischen Störung für den Anspruch auf Erwerbsminderungsrente, entsprechende Therapieangebote vorzuhalten.

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Die Psyche als wichtiger Bestandteil der Reha-Maßnahme

Patientinnen mit meist körperlichen chronischen Erkrankungen scheuen oft zunächst den direkten psychotherapeutischen Kontakt aus Angst, jetzt auch noch zusätzlich psychisch krank eingestuft zu werden. Im stationären Rehabilitationsablauf können somit durch ein krankheitsspezifisches Angebot die essentiellen Grundforderungen einer internistisch-psychosomatischen Rehabilitation, nämlich das Erlernen und die Förderung einer möglichst weitreichenden Selbständigkeit des Patienten, erreicht werden. Dabei verstehen wir Autonomie als erfolgreiche Selbstorganisation und damit bestmöglichste Integration in die Umwelt, die soziale Mitwelt und Arbeitswelt.

Die stationären psychotherapeutischen Maßnahmen können somit auch bei einer primär körperlichen Rehabilitationsmaßnahme Türöffner für die weitere ambulante Fortführung der Psychotherapie in der Nachsorge im Sinne der Nachhaltigkeit sein. Unser Ziel ist es, verschiedene Methoden und Techniken miteinander zu verknüpfen und den Rehabilitanden im Sinne des biopsychosozialen Konzeptes allumfassend zu betrachten und zu behandeln.

Pilotprojekt in der Rehaklinik Überruh

Das Pilotprojekt der Rehaklinik Überruh basiert auf der Grundlage des Anforderungsprofils der Deutschen Rentenversicherung Bund für die Verhaltensmedizinisch Orientierte Rehabilitation (VMOR) aus dem Jahre 2015 verbunden mit zusätzlichen Erweiterungen. Ein wesentliches therapeutisches Element im VOR-Konzept der Rehaklinik Überruh ist das Anwenden des Zürcher Ressourcenmodells (ZRM).

Das Zürcher Ressourcenmodell ist ein wissenschaftlich fundiertes, ressourcenorientiertes Selbstmanagementprogramm zur Steigerung der Selbstwirksamkeit und beruht auf neuesten neurobiologischen Erkenntnissen zum menschlichen Lernen. Es bezieht systematisch kognitive, emotionale und psychologische Aspekte in den Entwicklungs- und Veränderungsprozess zum gesundheitsfördernden Verhalten sowie zur Verhaltensänderung und Symptomreduktion bei Herz-/Kreislauf- und Lungenerkrankungen mit ein. Das Gruppentherapiekonzept der Rehaklinik Überruh zeichnet sich durch eine Kombination aus vielen aufeinander aufgebauten Therapieblöcken / Therapiemodulen aus. Das diagnoseabhängige, verpflichtende Angebot für die RehabilitandInnen ergänzen wir durch ein individualisiertes auf und mit dem Rehabilitanden abgestimmtes Therapiekonzept. Eine aktive Integration und das eigenverantwortliche Handeln der RehabilitandInnen werden auf diese Weise gefördert und gefordert. Unser Vorhaben im Rahmen des Pilotprojektes begründet sich darin, das etablierte Anforderungsprofil der Deutschen Rentenversicherung Bund für die Verhaltensmedizinisch Orientierte Rehabilitation (VOR) mit Therapien und praktischen Erfahrungswerten zu ergänzen.

In der Rehaklinik Überruh stehen bei der VOR Herz-/ Kreislauf- und Lungenerkrankungen im Vordergrund. Die stationäre Behandlung erfolgt in Gruppen von je maximal 12 PatientInnen bei einer durchschnittlichen Verweildauer von 28 Tagen. In der VOR werden organmedizinische, internistische sowie bewegungstherapeutische Aspekte umfassend berücksichtigt. Das Behandlungskonzept wird dabei um intensive, umfangreiche psychologische sowie psychosomatische Therapieanteile ergänzt. Unser Therapiekonzept unterscheidet sich somit deutlich zu einer primär psychosomatischen Rehabilitation, bei der überwiegend psychotherapeutische/psychologische Interventionen den Schwerpunkt bilden. Dabei ist das Verhaltensmedizinisch Orientierte Therapiekonzept der Rehaklinik Überruh keinesfalls als Konkurrenz zu einer primär indizierten psychosomatischen Rehabilitation zu verstehen.

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Psychologische Einzel- und Gruppengespräche sind fester Bestandteil von VOR Foto: Rehaklinik Überruh

Aufbau des VOR-Konzepts

Das VOR-Konzept bei Herz-/ Kreislauf- bzw. Lungenerkrankungen setzt sich in der Struktur aus drei Stufen zusammen:

• Basistherapie
• Individualisierte Therapie
• Selbstbestimmbare Therapie

Die Basistherapie setzt sich aus einem psychologischen, bewegungstherapeutischen und medizinischen Kernangebot zusammen. Neben einer medizinischen und pflegerischen Aufnahme und Diagnostik erfolgt im Sinne der Erhebung einer biographischen Anamnese, sowie der Anamnese des Berufslebens und der Sozialanamnese die psychologische Diagnostik. Zusätzlich werden standardisierte psychologischen Testverfahren eingesetzt. Die Testungen werden im Sinne einer Testung bei Aufnahme sowie nach erfolgter Intervention am Ende des Aufenthaltes durchgeführt. Die Ergebnisse der Testung bei Beginn der Maßnahmen werden in die Therapiezielplanung mit aufgenommen.

Die erneute Testung vor Entlassung ermöglicht Rückschlüsse auf den Therapieerfolg während der Rehabilitationsmaßnahme. Aufgrund unseres ganzheitlichen individuellen Betrachtungsansatzes des Rehabilitanden berücksichtigen wir neben der Herz-/ Kreislauf- oder Lungenerkrankung weitere Zweitdiagnosen im Rahmen der individualisierten Therapie für den Patienten. Somit können neben der Hauptdiagnose einer Herz-/ Kreislauf- oder Lungenerkrankung weitere Zweitdiagnosen wie Adipositas, Metabolisches Syndrom, Zuckererkrankungen, orthopädische Erkrankungen und mit zunehmender Bedeutung auch PatientInnen mit durchgemachter Covid-19-Erkrankung berücksichtigt und behandelt werden.

Neben den medizinischen und bewegungstherapeutischen Therapieangeboten erhalten die RehabilitandInnen je nach Bedarf Angebote im Rahmen einer Medizinisch Beruflich Orientierten Rehabilitation (MBOR). Mit dem Modul selbst bestimmbarer Therapie setzen wir den Fokus auf eigenverantwortliches und aktives Agieren des Rehabilitanden. Diese können hierbei selbständig zwischen vier Modulen entscheiden:

• Ausdauertraining
• Koordination und Rhythmus
• Entspannungsübungen
• Gestaltungstherapie

Mit dem dreistufigen Konzeptaufbau des VOR-Pilotprojektes der Rehabilitationsklinik Überruh erhalten die RehabilitandInnen die Chance, innerhalb ihres Rehabilitationsverfahrens ein breites Therapieangebot kennen zu lernen. Dabei können sie für sich herausfinden, was ihren individuellen Bedürfnissen und Belastungsgrenzen entspricht.

Sie gestalten somit ihren Rehabilitationsaufenthalt ganz bewusst mit und nehmen Inhalte und Ansätze mit auf. Auf diese Weise erhoffen wir uns, den Rehabilitationserfolg nachhaltig zu sichern und die RehabilitandInnen zu einer individuellen Selbstregulation zu befähigen und die Eigeninitiative zu fördern.

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Intensive psychologische Betreuung währen des Rehaaufenthalts

Die intensive psychologische Betreuung während des stationären Rehabilitationsaufenthaltes in Form von Gruppen- und Einzeltherapieangeboten beziehen sich auf spezielle psychische Bedürfnisse der PatientInnen auf der Basis ihrer körperlichen Grunderkrankung. So kann z. B. durch den gezielten Abbau von Vermeidungs- bzw. Schonverhalten ein negativer aufrechterhaltender Angstkreislauf unterbrochen werden. Gleichzeitig wird ein intensives und notwendiges Selbstwirksamkeitserleben erzeugt. Durch spezielle Behandlungsformen wird den PatientInnen vermittelt, besser mit ihren Gefühlen wie Angst, Ärger oder Stress umzugehen. Ein wesentlicher Ansatz stellt damit das richtige Maß von Belastung und Ressourcen im Sinne einer gesunden Work-Life-Balance dar. Durch das Erkennen von Signalen der Überlastung wird der Patient für den Alltag befähigt, sein Verhalten entsprechend zu steuern.

Das Besondere unseres Therapieangebots besteht darin, dass eine sehr enge interdisziplinäre Teamarbeit zwischen den verschiedenen Berufsgruppen innerhalb der Rehabilitation stattfindet, um dem hohen Bedarf der somatischen und psychotherapeutischen Behandlungen im Rahmen unseres Verhaltensmedizinisch Orientierten Therapieangebotes gerecht zu werden.

Unser Selbstverständnis von Hilfe zur Selbsthilfe und das darauf aufbauende Pilotprojekt bedeutet somit zweifellos einen Wandel in der therapeutischen Arbeit. Mit unserem Pilotprojekt wollen wir den Schwerpunkt auf eine alltagsnahe Bewegungs- und Fähigkeitsförderung setzen. Dies ist nach unserer Ansicht nicht nur zeitgemäß und dringend notwendig, sondern auch gewünscht.

Kontakt

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Foto: Bad Clevers Gesundheitsresort & SPA Bad Grönenbach

Dr. med. Thomas Bösch
Chefarzt Rehaklinik Überruh
Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie, Notfallmedizin/Sozialmedizin, Ernährungsmedizin DAEM/DEGEM

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Rehaklinik Überruh Bolsternang

88316 Isny im Allgäu

Dr. med. Thomas Bösch
Chefarzt

Ann Kristin Kwickert
Kfm. Leiterin

Telefon 07562/75-0
Fax 07562/75-400
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