Freiwillig ein Held: FSJ – Ein Jahr, das stark macht
Zwölf Monate für andere: Nicole und Johannes berichten über ihre Zeit in der Waldburg-Zeil Klinik
Neutrauchburg. Nicole Dieing (19) und Johannes Nold (18) nutzen die Zeit nach der Schulausbildung für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in den Waldburg-Zeil Kliniken. Bei einem FSJ haben junge Erwachsene bis zum 27. Lebensjahr die Möglichkeit, in verschiedene Berufsfelder reinzuschnuppern, soziale Kompetenzen zu erwerben und Verantwortung zu übernehmen. In der Regel dauert ein FSJ zwölf Monate und die Einsatzbereiche liegen im sozial-karitativen oder gemeinnützigen Bereich. In welchem Bereich seid ihr tätig? Nicole: Ich unterstütze die Kollegen in der Haustechnik und bin für den Fahrdienst zuständig. Johannes: Und ich mache mein FSJ in der Pflege. Was sind eure täglichen Aufgaben? Johannes: Ich bin für das Zeitmanagement zuständig. Das bedeutet, ich habe die Verantwortung, dass die Patienten rechtzeitig zu ihren Therapieterminen oder dem Mittagessen kommen. In der Planung muss ich die Abläufe auf jeden Patienten individuell abstimmen: ist er besonders schwer erkankt? Ist er auf Krücken unterwegs oder muss ich den Rollstuhl schieben? Kann sich der Patienten Sachen nicht so gut merken? All das sind Faktoren, die ich für einen reibungslosen Ablauf beachten muss.Wenn ich noch Lücken im Tagesplan habe, unterstütze ich die Schwestern in ihren täglichen Arbeiten.
Nicole: Wenn Patienten anreisen, bin ich für den Erstkontakt zuständig: ich bringe sie auf ihre Zimmer und begleite sie zu ihrem Aufnahmetermin. Zudem unterstütze ich die Kollegen am Empfang und in der Haustechnik.
Außerdem bin ich dafür verantwortlich, dass Fahrten, wie Einkäufe, erledigt werden.
Was hat euch überrascht?
Nicole: Wir werden nicht wie Kinder behandelt, sondern mit dem gleichen Respekt, wie alle anderen Kollegen. Außerdem wurden wir beide direkt von Anfang an mit Vertrauen und Verantwortung beschenkt.
Johannes: Stimmt, ich hatte anfangs auch nicht damit gerechnet, so mit einbezogen zu werden. Die Kollegen nutzen einen auch nicht aus, wie man es erwartet. Wir sind als FSJ‘ler keine Mädchen für alles, sondern ein wichtiges Mitglied in der Personalkette.
Was bringt euch die Zeit im FSJ?
Johannes: Ich habe in den letzten Monaten eine Tätigkeit gefunden, die ich länger machen möchte. Und zwar eine Arbeit, die nicht nur einfach ein Beruf ist, sondern die auch Spaß macht und mir zudem Dankbarkeit gibt. Das positive Feedback, das man von Kollegen aber auch Patienten bekommt, bestärkt mich in der Entscheidung, eine Ausbildung zum Altenpfleger durchzuziehen.
Zudem habe ich gelernt, mit Stress umzugehen und dabei trotzdem einen klaren Kopf zu behalten.
Nicole: Durch die Arbeit in der Waldburg-Zeil Klinik habe ich sehr viel über mich selbst gelernt: in der Schule wollte ich ständig unbedingt einer Gruppe angehören, aber jetzt bin ich zufrieden mit mir selbst und habe das Gefühl, langsam im Erwachsenenleben anzukommen. Ich habe meine Stärken ausgearbeitet und Schwächen herausgefunden und Zukunftspläne für mich festigen können.
Was gefällt euch an der Arbeit am besten? Gibt es Highlights?
Johannes: Ich erinnere mich an einen Patienten, mit dem ich mich besonders gut verstanden habe. Wir haben Erfahrungen ausgetauscht und er hat mir interessante Geschichten aus seinem Leben erzählt. Positive Patientenbegegnungen wie diese bleiben immer in Erinnerung.
Nicole: Der Zusammenhalt und Umgang unter den Kollegen. Ich habe unglaublich viel Spaß an der Arbeit und lache viel.
Was ist besonders schwierig?
Johannes: Manche Patienten, vor allem die mit einer negativen Grundeinstellung. Wenn sie unverschämt sind oder einem respektlos begegnen, da ist es schon schwierig, ihnen gutgelaunt zu begegnen und sie zu motivieren.
Nicole: Das sehe ich genauso. Wenn Patienten unzufrieden sind – vor allem mit sich selbst, dann lassen sie es oft an uns aus. Da muss man versuchen, distanziert zu bleiben und es nicht persönlich zu nehmen.
Was ist die größte Herausforderung?
Nicole: Im Arbeitsumfeld sachlich zu bleiben, sich Stresssituationen nicht hinzugeben und ruhig zu bleiben. Aber ich nehme das als Erfahrung für die Zukunft mit, die ich später in meine Arbeit übertragen kann.
Johannes: Wenn der Tagesplan randvoll ist, ist es eine logistische Meisterleistung, das Zeitmanagement richtig einzuschätzen und umzusetzen. Aber es ist ein tolles Gefühl, wenn ich am Ende der Schicht jeden Patienten pünktlich zu den Terminen gebracht habe.
Gibt es auch Schattenseiten?
Johannes: Wenn es einem Patient sehr schlecht geht, ist es immer sehr emotional und ich muss erstmal schlucken. Das ist etwas, das ich noch lerne: es hinzubekommen, die Gefühle nicht zu stark an mich heranzulassen. (Nicole nickt zustimmend)
Nicole: Die Bezahlung. Natürlich weiß man, worauf man sich einlässt, wenn man sich für ein FSJ entscheidet. Das ist ja eine bewusste Entscheidung. Die Bezahlung in der Pflege ist generell zu niedrig.
Johannes: Richtig, und das hat zur Folge, dass der Personalmangel ein immer größeres Problem wird. Ich bin mir sicher, dass sich mehr Leute für den Beruf entscheiden würden, wenn die Bezahlung und Wertschätzung besser wären.
Nicole: Das ist in sozialen Berufen generell die Schattenseite: es gibt viel zu wenig Nachwuchs, obwohl es ein so dankbarer Beruf ist. Die Politik sollte viel mehr reagieren.
Wie werdet ihr betreut?
Nicole: Ich habe eine Anleiterperson, die mich eingelernt hat und für Fragen zur Seite steht. Aber ich kann mich an jeden Kollegen wenden. Es sind alle hilfsbereit, offen und freundlich.
Johannes: Bei mir sind es zwei Schwestern, die für mich zuständig sind. Sollte ich mal nicht mit ihnen in einer Schicht eingeteilt sein, kann ich aber auch jemand anderen aus der Schicht fragen. Hier hat immer jemand ein offenes Ohr für unsere Fragen und hilft uns bei Problemen.
Was sind eure Zukunftspläne nach dem FSJ?
Johannes: Ich beginne im September die Ausbildung zum Altenpfleger. Es macht mir überhaupt nichts aus, Leute zu pflegen und zu waschen. Für mich wäre die Kälte auf der Baustelle beispielsweise eher ein Problem.
Nicole: Ich habe mich für die Ausbildung zur Physiotherapeutin entschieden. Diese beginnt auch im September.
Was würdet ihr jemandem raten, der sich überlegt, ein FSJ zu machen?
Johannes: Ich kann das FSJ nur empfehlen. Es bietet einem so viele Möglichkeiten und Chancen, in die Berufswelt reinzuschnuppern. Zudem gibt einem die soziale Arbeit so viel zurück. Allerdings sollte jemand, dessen Stärke nicht im sozialen Bereich liegt, das FSJ nicht in einer Klinik machen. Aber es gibt ja unglaublich viele Angebote, und es findet sich für jeden die richtige Stelle.
Nicole: Ich würde sagen: Mach es auf jeden Fall! Ich habe sehr viel gelernt: über den Arbeitsalltag, über Menschen aber auch über mich selbst. Das FSJ hat mir die Möglichkeit gegeben, einen Einblick in die Arbeitswelt zu bekommen und dient als Entscheidungshilfe, um den richtigen Job zu finden. Es ist eine wunderbare Chance für die Zukunft und ich würde es jederzeit wieder machen. Maricci King