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200 Jahre Sebastian Kneipp - Mit nassen Waden

  

Fotos: Max Hohenegger, Touristikamt Ottobeuren / Foto: Gerhard Köhler / stock.adobe.com

Fotos: Max Hohenegger, Touristikamt Ottobeuren / Foto: Gerhard Köhler / stock.adobe.com

200 Jahre Kneipp: Die Lehren des Pfarrers Sebastian Kneipp begeistern Menschen bis heute. Viele schwören auf seine Gesundheitsverfahren. Wir begeben uns auf Spurensuche zu den bescheidenen Anfängen des Pioniers, der diese Region stark beeinflusst hat. Unter seinen Zeitgenossen fanden sich nicht nur Anhänger.

Der stattlich gebaute Priester mit den markanten Augenbrauen spricht, und die versammelte Menge hört gebannt zu. Der Mann hat einen langen Weg hinter sich. Heute hat er Anhänger, ein eigenes Heilinstitut, sogar der Papst hat ihn mit einem Titel ausgezeichnet. Sebastian Kneipp und seine Lehren haben bis heute nichts an ihrer Bedeutung verloren. 2021 wird sein 200. Geburtstag gefeiert. Doch wie wuchs er auf?

Als Kind des Unterallgäus, war Kneipp immer irgendwie da. Auf dem Marktplatz meiner Heimatgemeinde Bad Grönenbach steht ein ihm gewidmeter Brunnen, der Kneipp in jungen Jahren zeigt. Auch bieten die allgegenwärtigen Kneippanlagen für die Dorfjugend eine tolle Gelegenheit, den Dorfbach aufzustauen. Während ich mit nassen Hosenbeinen Geäst in den Zellerbach schleppte, um einen Damm in der Kneippanalage zu bauen, hatte der Begründer der Kneipp‘schen Lehren eine nicht gerade unbeschwerte Kindheit.

Sebastian Kneipp erblickt am 17. Mai 1821 in Stephansried, das heute zu Ottobeuren gehört, das Licht der Welt. Tags darauf wird er in Ottobeuren in der Klosterkirche getauft. Als eines von fünf Kindern in einem armen Weber Haushalt, hat Sebastian Kneipp in seinen jungen Jahren nicht gerade viel Zeit für Spiel, Spaß und Freunde. Stattdessen muss er seine Familie unterstützen und ist als Viehhirte im Dorf tätig oder hilft seinem Vater am Webstuhl. Das Leben in der Region ist hart und vielen Familien geht es so wie den Kneipps. Diese Zeit wird Kneipp sein ganzes Leben lang prägen und ihn in vielen Entscheidungen leiten.

Früh fühlt sich Kneipp zum Pfarreramt berufen. Doch mit seinen mehr als knappen Mitteln ist das durchaus schwierig. Zwei Unterstützer beschließen, dem jungen Kneipp in seinem Wunsch zu helfen und ermöglichen ihm damit den Zugang zur höheren Schulbildung. Der Theologe Dr. Matthias Merkle, ein entfernter Verwandter Kneipps, und der Ortspfarrer und Botaniker Christoph Ludwig Koeberlin nehmen sich des Webersohns an. Sie holen ihn nach Bad Grönenbach. Hier steht unter anderem Latein auf dem Unterrichtsplan. Koerberlin bringt Kneipp die Pflanzenheilkunde näher, die später in seinen Lehren Einzug finden wird. Dank der Hilfe kann Kneipp das Gymnasium in Dillingen besuchen.

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Foto: Frank / stock.adobe.com
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Eine Statue des jungen Kneipp auf dem Marktplatz in Bad Grönenbach erinnert an seine Schulzeit in der Gemeinde.

1846 erlebt Sebastian Kneipp einen weiteren Rückschlag. Er erkrankt, wie viele Menschen in der Region, an Tuberkulose. Die Krankheit ist vielleicht der wahre Startpunkt, warum Kneipp bis heute bekannt ist. Inzwischen hat er der Tuberkulose zum Trotz das Abitur bestanden und studiert Theologie. Der erste Patient, den Kneipp behandeln wird, ist er selbst. Zufällig stößt er auf ein Buch von Johann Siegmund Hahn, in dem die Heilkraft kalten Wassers beschrieben wird. Begeistert und neugierig beginnt Kneipp die ersten Selbstversuche in der Donau – mit Erfolg. Der erste Patient, den er heilt, ist also er selbst.

Die fünf Säulen nach Kneipp

Nach Kneipp gibt es fünf zentrale Ansätze, die kombiniert zu einem gesunden und zufriedenen Leben führen. Am bekanntesten sind die Wasserbehandlungen. Ob Kneippen, Bäder und Halbbäder, für die verschiedenen Krankheitsbilder gibt es unterschiedliche Anwendungskombinationen. Die Verbindung aus warmen und kalten Reizen spielen eine zentrale Rolle. Besonders den Kreislauf kann das regelmäßige Kneippen unterstützen. Dazu sollen auch die Organe und das Immunsystem durch den aktiven Kreislauf gestärkt und therapiert werden. Menschen mit Kreislaufproblemen müssen solche Behandlungen zuvor mit ihrem Hausarzt abstimmen. Dieser revolutionäre Ansatz für die Behandlung verschiedenster Krankheiten, brachte Kneipp den Spitzname Wasserdoktor ein.

1890 kamen im Sommer 6000 Gäste nach Wörishofen in die Heilbäder Kneipps

Eine gesunde, ausgeglichene Ernährung, die weder auf Askese noch auf Völlerei setzt, ist eine weitere Säule. Zwar können Fasten und Verzicht sehr hilfreich sein, übertreiben sollte man es dabei aber nicht. Es geht Kneipp um eine abwechslungsreiche und gesunde Kost, die im richtigen Maß zu sich genommen wird. Kneipp empfiehlt saisonale Gerichte mit frischem Gemüse und reichlich Kräutern. Mit Zucker und Salz soll man hingegen sparsam umgehen.

Durch den Einfluss seines Förderers Christoph Ludwig Koeberlin nehmen die Heilkräuter nochmal eine gesonderte Stellung in seiner Lehre ein. Kneipp ist schon damals überzeugter Anhänger von Heilkräutern und ihren gesundheitsfördernden Eigenschaften.

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Der letzte Besuch des Pfarrers Kneipp in Stephansried.
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Ein wechselseitiges Zusammenspiel aus Anspannung und Entspannung werden in der kneippschen Idee von gesunder Bewegung ausgearbeitet. Dabei geht es nicht darum, Höchstleistungen zu liefern. Es sollen dagegen die Selbstheilungseffekte des Körpers und das Wohlbefinden gesteigert werden.

Am Schluss steht die Balance. Heute würden wir wohl Work-Life-Balance dazu sagen und das liegt, passend zu Kneipps 200. Geburtstag, gerade voll im Trend. Es geht darum, das richtige Maß im Alltag zu finden. Weder zu viel noch zu wenig, genau das Mittelmaß aus beiden, das uns weder langweilt noch überfordert. Kneipp beweist hiermit seine Voraussicht. Im Zeitalter der Industrialisierung, in der die rasante Beschleunigung des Alltags begann, wies er schon auf die Wichtigkeit eines ausgeglichenen Lebens hin.

Kneipp findet in den Ärzten und Apothekern seiner Zeit häufig Kritiker, aber auch Verbündete. Trotz Klagen und Rückschlägen baut er seinen Traum immer weiter aus und hilft den Menschen. Am 17. Juni 1897 stirbt er in Wörishofen, der Stadt, in der er eines seiner Heilzentren betreibt. Seine Ansätze sind längst medizinisch anerkannt und finden in vielen Therapien Anwendung. Eine treue Anhängerschaft ist ihm heute noch sicher, während Kritiker irgendwann verstummten. Vielen Dank und alles Gute zum Geburtstag Pfarrer Kneipp. Max Hohenegger