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Von Handschellen und Kuscheltieren

  

Fotos: Maren Moll, Anita Sollner Polizei Schwaben Süd/West / Foto: Thaut Images / stock.adobe.com

Fotos: Maren Moll, Anita Sollner Polizei Schwaben Süd/West / Foto: Thaut Images / stock.adobe.com

Während Stefanie Weixler mir den Inhalt ihrer Rüstungstasche zeigt, fällt mir neben dem Bußgeldkatalog und einem medizinischen Notfallset ein Kuscheltier auf. Was es damit auf sich hat und was den Polizeiberuf für sie so spannend macht, erfahre ich in einem interessanten Gespräch.

„Das ist nicht die klassische Geschichte, von wegen ‚Ich will das schon, seit ich im Kindergarten bin‘ ", sagt Weixler. Seit siebeneinhalb Jahren ist sie ausgelernte Polizistin, doch es war der Zufall, dem sie die Uniform verdankt. In ihrer Jugend schnupperte sie auf Wunsch der Eltern in den Beruf hinein. Schmunzelnd erzählt sie, dass ihre Eltern gar nicht wollten, dass sie Polizistin wird, sondern das Praktikum einfach als sinnige Ferienaufgabe empfanden. „Nach den zwei Tagen war mir klar, dass das genau das ist, was ich suche“, so die Beamtin. Für sie stehen finanzielle Sicherheit und der Beitrag zur Gesellschaft an oberster Stelle. Diese Kriterien konnte der Polizeiberuf erfüllen.

Umgekehrt konnte Weixler den Voraussetzungen der Einstellung bei der Polizei entsprechen. Sie muss körperlich fit sein und über soziale Kompetenzen verfügen. Dazu zählen Verantwortungsbewusstsein, psychische Stabilität und Teamfähigkeit. Außerdem ist es wichtig, dass Stefanie Weixler sich mit den gesellschaftlichen und rechtlichen Ordnungen unseres Landes identifiziert. Da sie keine sichtbaren oder inhaltlich unzulässigen Tattoos besitzt, war auch dieser Punkt bei der Aufnahme in den Polizeidienst abgehakt. Weitere Kriterien sind eine Mindestgröße von 165 Zentimetern und die deutsche Staatsangehörigkeit – mit Ausnahmen. Bezüglich der Haar- und Barttracht gibt es ebenfalls ein paar Vorgaben. Stefanie erzählt, dass sie von sich aus die Haare in einem Zopf trägt, damit sich niemand auf ihr äußeres Erscheinungsbild beziehen kann.

Stefanie Weixler ist aber nicht nur die uniformierte Beamtin, die im Auftrag des Staates handelt. Privat ist sie ein sehr aufgeschlossener Mensch, der sich zu Tieren und zum Sport verbunden fühlt.

„In der Freizeit bin ich hauptsächlich draußen. Im Winter geht es auf die Skipiste und im Sommer gehe ich gerne wandern“, zählt die 27-Jährige ihre liebsten Freizeitaktivitäten auf. Stolz betont sie, dass sie seit diesem Jahr ein Rennrad hat, mit dem sie auf Erkundungstouren geht.

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Auf der Arbeit fährt sie ebenfalls verschiedene Touren – mit dem Streifenwagen quer durch die Stadt. Davor führt sie mit einem Kollegen die Übergabe durch, der ihr beispielsweise alle aktuellen Fahndungen mitteilt. Wenn während der Fahrt keine Einsätze reinkommen, geht sie mit ihrem Streifenkollegen auf Patrouille und führt Verkehrskontrollen durch. Sie erklärt, dass sie sich hier wichtige Dokumente zeigen lässt und das Fahrzeug auf Mängel überprüft. „Wer mit der Bahn fährt, muss dem Schaffner sein Ticket zeigen und wer mit dem Auto fährt, muss der Polizei den Führerschein aushändigen“, erklärt Weixler. Gelegentlich kommt bei den Verkehrskontrollen ihr Bußgeldkatalog zum Einsatz. Den verstaut sie zusammen mit warmer Kleidung, einem Clipboard und Plastikfolien, zur Beweissicherung, in ihrer Rüstungstasche.

Spannend wird es, wenn Stefanie Weixler über ihr Funkgerät zu einem Einsatz gerufen wird. Meist handelt es sich dabei um Diebstähle oder Unfälle, aber nicht immer: 2016 wurde sie nach Westerheim beordert, da dort nach einem flüchtigen Mörder gefahndet wurde. „Der Täter trug seine Schusswaffe zu diesem Zeitpunkt noch bei sich. Deshalb war hier äußerste Vorsicht geboten“, betont sie. Für solche Notfälle sei es wichtig, dass sie ihre Dienstwaffe schnell griffbereit habe. Die trägt sie in ihrem Waffengürtel immer bei sich. Dort sind auch Ersatzmagazin, Taschenlampe und Handschellen zu finden. Im gleichen Jahr musste sich die junge Polizistin auf der A7 um eine Massenkarambolage mit sechs Toten kümmern. Und auch 2020 brachte erschütternde Einsätze mit sich. „Letztes Jahr hatte ich an einem Tag zwei Suizid-Fälle, das hat mir dann schon zu schaffen gemacht“, erzählt mir die 27-Jährige. Sie fügt hinzu: „Es ist wichtig, dass man ein starkes soziales Umfeld hat, was einen in diesen Situationen aufbaut und Verständnis zeigt“.

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Stefanie Weixler war im Jahr 2016 auf der Jagd nach einem flüchtigen Mörder. Da er seine Waffe noch bei sich trug, war die Situation sehr gefährlich.

Und auch Stefanie Weixler muss Einfühlungsvermögen zeigen. Vor allem mit Geschädigten muss sie behutsam umgehen. Manchmal hat die Polizeibeamtin es mit Kindern zu tun, die Opfer von Verbrechen oder Augenzeugen geworden sind. Für diesen Fall hat sie das Kuscheltier bei sich. Während Weixler mitten in ihrem Einsatz steckt, hat auch ihr kleines Stoffmammut einen Mini-Einsatz. Es soll dabei helfen, dass Kinder, die sich in einem Ausnahmezustand befinden, ruhiger werden und abgelenkt sind.

Nicht nur Charaktermerkmale, wie ein guter Umgang mit Menschen, sind für die Bewerbung entscheidend. Weixler musste unter anderem einen Sporttest, eine mündliche und eine schriftliche Prüfung ablegen, bevor sie schlussendlich eingestellt wurde. Danach ging es für sie in eine zweieinhalbjährige Ausbildung, in der sie Unterricht in Recht, Praxis und Persönlichkeitsbildung erhielt. „Nach der Ausbildung wird man oft bei der Einsatzhundertschaft der Bereitschaftspolizei eingesetzt, bei mir war das anders“, erläutert sie. Weixler weiter: „Für mich ging es direkt in der Polizeiinspektion Memmingen in den täglichen Dienst.“

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Foto: HuHu Lin / stock.adobe.com

Inzwischen ist sie Polizeihauptmeisterin und zusätzlich Praxisbegleiterin für die Auszubildenden in Memmingen. Jetzt nimmt sie die Lehrlinge mit auf Streife und zeigt ihnen die Büroarbeit in der Inspektion. Hier telefoniert sie viel, kümmert sich um die Koordination von Einsätzen und nimmt Anzeigen auf. „Was viele vergessen ist, dass Büroarbeit bei der Polizei auch dazugehört“, erklärt sie. In einigen Fernsehsendungen wird die Arbeit der Polizei beleuchtet. Doch entsprechen diese Inszenierungen der Realität? „Nein“, sagt Weixler und lacht. „Vieles wird überspitzt dargestellt, wodurch auch rechtliche Fehler entstehen“, erklärt sie weiter. In diesen Sendungen werden Straftäter oft aufmüpfig und vorlaut – vor allem gegenüber Polizistinnen.

Das bringt mich zu der Frage, ob man als Frau bei der Polizei mit Vorurteilen zu kämpfen hat. Stefanie Weixler sagt, dass es durchaus überraschte Reaktionen gibt, wenn sie ihren Beruf offenbart. „Konkrete Vorurteile sind heutzutage aber nicht mehr präsent“, fügt sie an. In manchen Situationen sei es von Vorteil, eine Frau zu sein, denn sie könne oft mehr Verständnis für eine Person aufbringen, als ihre männlichen Kollegen.

Um aggressives Verhalten gegenüber der Polizei vor Gericht beweisen zu können, werden seit kurzem Bodycams eingesetzt. Sie filmen nicht die ganze Zeit, sondern nur in brenzligen Situationen. „Wenn das Gegenüber sieht, dass die Bodycam eingeschaltet ist, überlegt sich der ein oder andere nochmal, ob sein Verhalten so richtig ist“, erläutert Weixler. Der Einsatz der Videokamera sei somit präventiv und diene effektiv der Vorbeugung von Straftaten.

Nach ihrer Schicht entledigt sich Weixler ihrer Uniform und schält sich so aus dem Polizeialltag heraus. In ihrem Spind verstaut sie den Waffengürtel und ihre Rüstungstasche. Dann schnappt sie sich ihren eigenen Autoschlüssel und schlendert in den wohlverdienten Feierabend, voller Freude auf ihre Freizeit und voller Erwartungen auf die nächste Schicht ... Maren Moll