Schweisstreibend und voller Feingefühl: Goldstaub in der Nase
Was ist Handwerk? Handwerk ist für mich Leidenschaft, Perfektion, Mühe, Kulturpflege und wie der Begriff es auch schon andeutet – „Hand“arbeit. In vielen Betrieben und in allen Bereichen wird ständig modernisiert und automatisiert – viel handwerkliches Wissen wird da nicht mehr gebraucht und schlicht vergessen. Doch noch gibt es Handwerksmeister, die ihr traditionelles Wissen täglich pflegen und weitergeben. So auch bei IVO Schmuck Design.
Goldschmiedemeister Martin Ivo Schöffl und seine Tochter Barbara Schöffl, die gerade ihren Meister macht, schmieden, gießen, ziehen, verdrahten jeden Tag noch die vielen herrlichen Schmuckstücke, die es im Familienbetrieb zu bestaunen gibt. In guter, familiärer Teamarbeit machen die beiden noch alles in der hauseigenen Werkstatt selbst. Ich durfte ihnen bei der Herstellung eines Farbsteinrings über die Schulter blicken und wahre Handwerkskunst hautnah erleben.
Dass hier alles noch selbst gemacht wird, wird im ersten Moment des Herstellungsprozesses klar. Hier beginnt der Arbeitsablauf nicht mit einem fertigen Ringrohling, sondern mit dem Rohstoff Gold, den es zunächst einzuschmelzen gilt. Schnell wird es ziemlich warm in der Werkstatt, während Martin und Barbara Schöffl gekonnt das Gold in einem flachen Schmelztiegel erhitzen. Sie geben etwas Borax, einen Sauerstoff bindenden Stoff, dazu. Das soll dabei helfen, dass so wenig Sauerstoff wie möglich in das Gold gelangt. Die Schweißperlen treten mir nicht umsonst auf die Stirn, denn Gold hat einen hohen Schmelzpunkt und muss für den sogenannten Kokillenguss flüssig sein. Ist das Gold bereit, gießt es Barbara Schöffl in Kokille. Diese wurde im Vorfeld mit Öl ausgegossen. Das soll ebenfalls verhindern wie auch der Gusskopf, der sich beim Gießen bildet, dass Sauerstoff in das Werkstück gerät. Die so entstandene, einem Nagel ähnliche Stange wird nach dem Abkühlen in ein schwaches Schwefelsäure-Bad getaucht. Dabei lösen sich das Borax und das Kupferoxid, das sich bei der Schmelzung an der Oberfläche gebildet hat. Ohne dieses Bad wäre das Gold kaum weiterzuverarbeiten.
Nun wird der Gusskopf abgeschnitten. Dieser wird später einfach wieder eingeschmolzen und weiterverarbeitet. „Das ist das tolle am Metall. Es geht ja nichts verloren“, versichert Martin Schöffl. Sogar der Kehricht, der in der Werkstatt anfällt, wird nicht einfach weggeschmissen. Der darin enthaltene Metallstaub wird wiedergewonnen und ebenfalls neu eingeschmolzen. Nun kommt die Stange das erste Mal auf den Ambos. Mit gezielten Hammerschlägen verdichtet Barbara Schöffl das Gold. Dadurch verbessert sich die Struktur des Edelmetalls. Abschmieden nennt das der Experte. Danach wird die Stange gewalzt. Dabei kommt nicht etwa ein Motor zum Einsatz sondern „viel Manpower“, sagt Martin Schöffl grinsend, bevor er die Walze mit eigner Muskelkraft in Bewegung setzt. Tochter Barbara lässt indes vorsichtig das Gold durch die immer enger werdende Walze gleiten. Durch die Verformung wird das Gold spröde. Deswegen wird es erneut auf 600 bis 700 Grad erhitzt. So werden Spannungen im Werkstück vermieden. Die richtige Temperatur erkennen die Schöffls mit geübtem Auge an der richtigen Rotfärbung. Danach lassen sie es wieder abkühlen.
Durch das Walzen hat das Gold im Querschnitt eine eckige Form und ist außerdem immer noch zu dick, um weiterverarbeitet zu werden. Nun „ziehen“ die beiden Goldschmiede es in Form. Das geschieht mit einem sogenannten Zieheisen und einer Ziehbank sowie mit, und wie könnte es anders sein, echter, ehrlicher Muskelkraft. Durch seine Eigenschaften gleitet das Gold durch die immer schmäleren Bohrungen im Zieheisen, bis der dabei entstehende Golddraht die gewünschte Dicke hat. Auf seine Zieheisen ist der Goldschmiedemeister besonders stolz. „Sie sind extrem kostspielig. Die besten kommen aus Frankreich und Italien“, erklärt er. Durch das „Ziehen“ wird der Golddraht nicht nur dünner, sondern auch länger.
Babara Schöffl spindelt diesen Golddraht um den sognannten Dorn. Es entsteht eine Art Goldspirale. Aus jeder Umrundung wird später ein Ring entstehen. Deswegen wird die Spirale auch mit einem möglichst geraden Schnitt aufgesägt. Aus einem dieser Spiralstücke wird unser Ring entstehen. Vorsichtig in einen Schraubstock geklemmt werden die beiden Enden mit Gefühl zusammengedrückt. So vorbereitet kann sich Goldschmiedemeister Martin Schöffl daranmachen, den Ring zu „verlöten“. Technisch gesehen müsse man aber vom Verschweißen reden, erklärt mir der Meister. Zunächst wird ähnlich wie beim Einschmelzen ein Flussmittel aufgetragen, das die Oxidation des Metalls trotz der großen Temperatur unterbinden soll. Denn auf dem Oxid kann man nicht schweißen. Jetzt sollte Martin Schöffl nicht die Luft ausgehen. „Der Mensch ist die Sauerstoffflasche“, sagt er und das demonstriert er eindrucksvoll. Durch einen feinen Schlauch kontrolliert er mit seiner Atemluft die Flamme, mit der er das Werkstück und das Lot erhitzt. Im Brenner verbrennt normales Gas und je nach Sauerstoffzufuhr wird die Flamme stärker und größer oder nimmt ab. So braucht Martin Schöffl keine Hand, um die Flamme zu regulieren und kann sich ganz auf den Prozess konzentrieren. Und Konzentration braucht es. Zu viel oder zu wenig Lot und der Ring muss nochmal überarbeitet werden – erneutes Auftragen von Lot oder Abschleifen von überschüssigem Material. Das kostet Zeit, Geld und Material. Außerdem muss die Legierung des Lots der des Rings gleichen, sonst sieht man die gelötete Stelle später – was natürlich hier nicht der Fall ist. Ist er verlötet, geht der Ring erneut in das Schwefelsäurebad, um das Flussmittel zu entfernen. Dieses könnte sonst bei der Weiterverarbeitung die Werkzeuge beschädigen.
6000 Jahre - Die ältesten Zeugnisse für Goldschmiedekunst in Europa sind * schon über 6 000 Jahre alt.
Was jetzt vor mir liegt sieht schon ganz nach einem Ring aus. Leider ist dieser für einen Damenfinger, für den der Schmuckring bestimmt ist, noch zu groß. Er wird also in eine Form gepresst. Dabei wird die Wanddicke des Rings stärker und der Ring an sich kleiner. Auch hier kommt wieder Muskelkraft ins Spiel. Denn in die Form wird er nur durch eine handbetriebene Presse gedrückt. Keine Hydraulik, kein Motor, kein Strom. Nun sollte er passen. Für das besondere Etwas schlägt Martin Schöffl nun noch eine Struktur mit einem Hammer in die bisher glatte Ringoberfläche.
Zeitgleich fertigt Barbara Schöffl die Fassung für den Stein. Von Hand dreht sie ein plattes Stück Gold in eine konische Form, knippst den Überstand ab und verschweißt wie ihr Vater die Fassung. Danach wird auch diese in Form gepresst. Und damit sind die Einzelteile des Rings fertig.
Es folgt die sogenannte Montage. Bei Montage-Ringen, wie unserer einer ist, werden zunächst die einzelnen Bestandteile gefertigt. Diese werden bei der finalen „Montage“ zusammengesetzt und bilden dann das fertige Schmuckstück. Diese Methode wird häufig bei Schmuckringen angewandt, nicht aber bei zum Beispiel traditionell hergestellten Eheringen. Martin Schöffl sägt eine Aussparung in den Ring, in die die Fassung für den Stein eingearbeitet werden soll. Nun müssen die Fassung und der Ring noch „untrennbar“ verbunden werden. Dabei gibt es ein Problem. Die Fassung muss fest in ihrer späteren Position fixiert werden, um richtig an den Ring „montiert“ zu werden. Zum einen braucht der Goldschmiedemeister beide Hände für das Schweißen, um Flamme und Lot zu halten. Zum anderen halten selbst die hitzegewöhnten Finger der beiden Goldschmiede die Temperaturen, die benötigt werden, nicht aus. Wie also die Fassung auf Position halten? Barbara Schöffl erzählt, dass in Betrieben von Kollegen aus der Meisterschule dieser Schritt mit einem Laser gemacht wird. Mit dem Laser werden kleine Schweißpunkte zwischen Fassung und Ring angebracht und so für die Montage fixiert. Was nimmt man bei IVO? Statt auf einen hochmodernen Laser und einer gewaltigen Stromrechnung setzt man hier in der Werkstatt auf ein bewährtes Mittel und Fingerfertigkeiten. Denn was ein Laser kann, schaffen die beiden Goldschmiede mit etwas handelsüblichem Allzweckdraht, den jeder Hobbygärtner im Geräteschuppen finden dürfte. Martin Schöffl verdrahtet Fassung und Ring, trägt erneut Flussmittel auf und Barbara Schöffl verschweißt mit viel Gefühl und Erfahrung die beiden Teile. Ein letztes Schwefelsäurebad und der Ring an sich ist fertig.
Jetzt muss noch der Stein eingefasst werden. Bei unserem Ring handelt es sich um einen grünen Granat. Barbara Schöffl erklärt mir diese entscheidende und sehr schwierige Prozedur. Zuerst muss mit einem Spezialwerkzeug eine feine Auflage für den Stein in die Fassung gefräst werden. Auf diese wird der Stein gelegt. Dann wird Material von der Fassung über den Stein „geschoben“. So ist der Edelstein von unten durch die Auflage, von der Seite durch die Wand der Fassung und von oben durch das darüber geschobene Material fest in der Fassung verankert. Doch zu wenig Druck auf den Stein und er wackelt und ist nicht fest. Zuviel Druck auf den Stein und er kann beschädigt werden – oder noch schlimmeres. Edelsteine wie unser grüner Granat stehen oft unter innerer Spannung. Da reicht eine falsche Bewegung, eine falsche Belastung der Goldschmiedin schon aus und der Stein bricht. In einem Moment sind, je nach Stein, mehrere hundert Euro einfach verloren. Deshalb ist höchste Sorgfalt geboten. Auch deshalb nimmt das Einfassen des Steins viel Zeit in Anspruch, die sich bei einem Farbsteinring je nach Ausführung auf rund fünf Stunden insgesamt beläuft.
Der berühmt berüchtigte Vorführeffekt bleibt heute aus. Und was eben noch ein Häufchen Edelmetall war, erglänzt jetzt in wunderschöner und garantiert einzigartiger Schönheit. Ganz ohne moderne Technik, ganz ohne Laser, sondern mit Feingefühl, Erfahrung, handwerklicher Tradition, familiärer Teamarbeit und einer anständigen Portion Man- und Womanpower. Das ist Handwerk.
Wer den beiden Goldschmieden einmal wie ich über die Schulter sehen möchte, kann das ohne Probleme tun. Durch ein Fester kann man direkt in die Werkstatt von IVO Schmuck Design blicken und echtes Handwerk erleben. Die beiden freuen sich über jeden Zaungast, der ihnen bei der täglichen Traditions- und Kulturpflege zusieht. Text von Max Hohenegger