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Ein Leuchtturm in Deutschland: „Bist du bereit?“

               

Fotos: Monique Jauch, Ponyhof Lutz

Fotos: Monique Jauch, Ponyhof Lutz

„Das Glück dieser Erde, liegt auf dem Rücken der Pferde.“ Pferdefans und Reiter, ob groß oder klein, jung oder alt, können an dieser Stelle einfach nur nicken. Nicht ohne dieses Funkeln in den Augen und das Lächeln im ganzen Gesicht. Ja, sie wissen um dieses Glück. Sie kennen die Wärme und die Zuneigung, die von diesen wunderbaren Vierbeiner ausgeht.Und die anderen? Klar, es gibt viele, die schlicht kein Interesse an Pferden haben. Die ihre Freizeit lieber mit anderen Hobbys verbringen. Doch dann gibt es noch viele Kinder und Jugendliche, die haben nicht die Möglichkeit, herauszufinden, ob Pferde toll sind. Wie es ist, zu reiten. Oder einfach mit ihnen zusammen zu sein. Viele, zu viele Kinder haben wenig – oder gar keine – Berührung mit der Natur oder mit Tieren. Anders in Legau. Denn hier gibt es den Ponyhof Lutz. Ein kleines Refugium für Tier und Mensch, mitten in einem Wohngebiet gelegen. Der Ponyhof Lutz ist der erste von der Reiterlichen Vereinigung (FN) zertifizierte Ponyhof in Bayern – und er ist ein Leuchtturm in Deutschland. Doch der Reihe nach.                    

Aufgebaut wurde der Ponyhof von Karl Lutz. Mit seinen Shettys bot er Ponyführen im Kindergarten an. Damit stand das Gerüst für das, was der Hof heute ist. Im Jahre 2005 dann kreuzten sich zufällig – oder doch eher schicksalhaft – die Wege von Karl Lutz und Katrin Rheinländer-Mix, der heutigen Pächterin des Ponyhofs. Eine Begegnung der besonderen Art. Die gebürtige Berlinerin lebte zu diesem Zeitpunkt mit Familie und ihren zwei Pferden in der Oberpfalz, war im Pferdesport „zuhause“, kümmerte sich um Ausbildung und Korrektur von Pferden, gab Reitunterricht und war ein echtes Stadtkind. Bis zu diesem Tag jedenfalls, als ihr Mann beruflich in Legau zu tun hatte, sie ihn begleitete und Karl Lutz traf. „Was er hier so liebevoll und aufwändig aufgebaut hat, ist einfach großartig.“ Und er gab es vertrauensvoll in die Hände der Pferdeliebhaberin. Das war im Jahre 2010. „Das Pferd hatte in der Gegend einen anderen Stellenwert, es war das Arbeitstier und nicht zum Reiten Lernen für Kinder da“, erinnert sich Mix an ihre Anfänge in Legau. „Ich hingegen bin mit der Erfahrung und der Erziehung groß geworden, dass das Pferd ein wertvoller Partner ist.“ Ein echter Gefährte. „Deshalb lege ich soviel Wert auf den richtigen Umgang, auf Empathie und Verantwortungsbewusstsein.“
                        

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Auf dem Ponyhof Lutz kommen Mensch und Tier einander näher.
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Susi, das letzte Pony von Karl Lutz, mit Hans Weiß von der Irmengard-Lutz-Breins-Stiftung und Katrin Rheinländer-Mix.

Dass der Umgang mit den Tieren und auch Reiten gelernt sein wollen, war allerdings nur sehr mühsam in die Köpfe und Herzen der Menschen zu bringen. Doch Mix bleibt dran. Mit Hingabe, Liebe, Durchhaltevermögen füllt sie den Ponyhof mit Leben und bringt immer mehr Menschen und Ponys zusammen. Selbst der Aufzug im Altersheim soll kein Hindernis für den Besuch der Ponys sein. Wichtig war es, dem „Gerüst“ Ponyhof Inhalt zu geben. Ihn unentbehrlich für Legau und Umgebung zu machen.

Zum Beispiel durch das Reiten im Kindergarten: Seit mittlerweile zehn Jahren wird jedem Kind die Möglichkeit gegeben, sechs Mal zu reiten. „Es geht um Teamarbeit, Absprachen und soziale Kompetenz.“ Zudem gibt es Trockenübungen, wie Stall bauen, und allerlei Wissenswertes rund ums Pferd. „Die Aktion ist rein aus Spenden finanziert und hat sich richtig toll entwickelt.“ Und hat Neues entstehen lassen: Nämlich „Menschen eine Freude machen“. Zuschauer der Vorführungen sind die Bewohner des Altenheims. Die Kinder, die in die Schule kommen, dürfen beim Abschlussreiten vorführen, was sie gelernt haben. „Der Effekt, der dabei passiert, ist unbeschreiblich. Und unbezahlbar“, so Mix. Diese „Investition“ in ein Kind bleibt ein Leben lang. Und sie weiß, wovon sie spricht und vor allem, was sie tut: Katrin Mix ist selbst dreifache Mutter, Erzieherin und ausgebildet im heilpädagogischen Reiten. „Alle Erlebnisse und Erfahrung und meine Ausbildung sind der Background zu dem, was ich heute mache.“
                       

Mut - Mutig sein und etwas wagen. Achtsam sein und den anderen mitnehmen.
                 

Wenn die Neugierde der Kinder geweckt ist, lassen sie sich ein. Sie werden mutig und probieren aus. So wie bei den Bambini Reitstunden mit Lena Auburger auf dem Ponyhof Lutz. Wie legt man das Halfter an und wie wird ein Pony geführt? Wofür sind all die bunten Bürsten da und – die entscheidende Frage – wie kann es sein, dass die Ponys immer wieder so schmutzig sind? Alle helfen zusammen und sich gegenseitig – denn der eine traut sich mehr, ein anderer kann schon mehr. Und die Kinder passen aufeinander auf: „Bei den Pferden nicht rennen“, schallt es durch die Luft. Und bevor losgeritten beziehungsweise -geführt wird, kommt die Frage: „Bist Du bereit?“ Die Kinder bleiben konzentriert dabei und sind achtsam. Und die insgesamt 13 Ponys sind geduldige und liebevolle Lehrmeister. Gemeinschaft erleben können die Kinder auch bei gemeinsamen Ausflügen wie zu den München Indoor, zu einem Fohlenchampionat auf Gestüt Birkenhof, bei einem Wanderritt inklusive Übernachtung auf der Koppel, beim Reitabzeichen und ja, selbst beim gemeinsamen Führen üben. Immer unterstützt und angeleitet.
                  

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Durchschnittlich 50 Kinder sind pro Woche auf dem Ponyhof zu Besuch, auch über Kurse der Volkshochschule, Spielegruppen oder Ganztagesbetreuung. Selbst pferdegestütztes Persönlichkeits-Coaching ist hier möglich. Losgelöst auf ein Pferd zugehen, Verbindung, ja eine Beziehung aufbauen. „Auch die Wahrnehmung, wie schnell so ein Pony im Trab auf einmal werden kann, ist für die Kinder neu. Damit die Pferde gesund und motiviert sind, ist eine artgerechte Haltung unabdingbar. „Unsere Pferde leben im Laufstall gemeinsam in der Herde und sind so ausgeglichen und zufrieden.“ Richtigen Aufwind bekommt Mix mit ihrem Herzensprojekt als der gemeinnützige Verein „Pferde für unsere Kinder e.V“ im Juni 2015 gegründet wird. Endlich arbeiten viele Menschen an einem Ziel. Und das deutschlandweit. Daraus sind neue Projekte und Ideen entstanden, die die Pferdenärrin seit Anbeginn unterstützt. „Genau auf diesen Verein habe ich gewartet“, erinnert sich Mix lachend. „Das Konzept spricht mir genau aus der Seele. Die ganzen Jahre habe ich daran gearbeitet, Kinder und Pferde einander näher zu bringen. Das Pferd in die Gesellschaft (zurück) zubringen. In Legau und in ganz Deutschland. Kein Wunder also, dass sie den Verein von Anfang an tatkräftig und auch als Mitglied unterstützt. So hat Mix im Rahmen der Aktion „10.000 Holzpferde für Kindergärten“ bereits Holzpferde für verschiedene Kindergärten „organisiert“, das heißt Spenden in Höhe von jeweils 450 Euro gesammelt, um Holzpferd und Lehrkoffer zu bezahlen. Alls ehrenamtlich.

Dank der verschiedenen Projekte trägt sich der Ponyhof. Das liegt vor allem daran, dass die gebürtige Berlinerin die Fixkosten durch viel Eigenarbeit niedrig hält. Selbst den Mist fährt sie selbst zum Bauern. „Der Ponyhof ist für die Kinder da. Ich will für sie etwas tun und für unsere Landschaft. Und ich bin sehr dankbar für das Miteinander.“ Unterstützt wird Mix vor allem von ihrer Familie, anders würde es so gut gar nicht funktionieren. Und dann ist da noch die Irmengard-Lutz-Breins-Stiftung, geründet von Karl Lutz und Irmengard Lutz, geborene Breins. „Ich bin sehr dankbar, dass die Stiftung das Land für den Ponyhof seit Jahren vorhält.“ Schließlich sind sie begehrtes Bauland. Diese Koppeln mitten im Wohngebiet.

Text von Monique Jauch

"Der gemeinnützige Verein „Pferde für unsere Kinder e.V.“ wurde am 28. Juni 2015 gegründet. Immer weniger Kinder in unserer Gesellschaft habe die Möglichkeit, Pferde unmittelbar zu erleben und durch sie zu lernen. Diese Situation war der Auslöser für die Gründung des Vereins.

Kinder sollen für Pferde begeistert werden, indem ihnen schon in ihrer frühen Entwicklung der spielerische Umgang mit dem Pferd ermöglicht wird. Kinder sollen mit Pferden in Berührung kommen, denn die Nähe zum Pferd und der Umgang unterstützen die persönliche Entwicklung der Kinder.

So soll der Wert des Pferdes für die Gesellschaft verdeutlicht und auch ein Beitrag zu seiner Erhaltung für zukünftige Generationen geleistet werden. Projekte sind beispielsweise „10 000 Holzpferde für Kindergärten“, „Pferdeerlebnistage“, „Ponyclub“, „Pferdecamp“ oder aber die „Bundesweiten Leuchttürme“.

Ein Meilenstein war die Ernennung des ersten „Bundesweiten Leuchtturms“ (2019): Geehrt wurden der Ponyhof Lutz und Katrin Rheinländer-Mix für ihren unermüdlichen Einsatz für Kinder und Pferde in der Region Legau und Umgebung."