Leben

Das Original der Milch

Heumilch ist die ursprünglichste Form der Milch. Warum sie jetzt immer beliebter wird

Foto: stefano – stock.adobe.com

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Jahrhunderte lang fütterten Milchbauern ihre Kühe angepasst an den Lauf der Jahreszeiten: Im Sommer kamen die Tiere auf die Weiden und Almen. Dort genossen sie die frische Luft, das klare Wasser und eine große Auswahl an bis zu 1 000 saftigen Gräsern und Kräutern. Im Tal begann unterdessen die Heuernte. Man mähte die Wiesen, trocknete das Gras und lagerte es in Scheunen. Im Winter wurden die Tiere dann damit gefüttert. Als Ergänzung gab es mineralstoffreichen Getreideschrot. Mehr nicht. Vergorene Futtermittel standen nicht auf dem Speiseplan, bis Mitte des 20. Jahrhunderts die Silage in Mode kam. Das Gärfutter ersetzte das natürliche Heu ab da immer häufiger. Heute aber kehren mehr und mehr Allgäuer Milchbauern zur Heuwirtschaft zurück. Ein Trend, der gute Gründe hat und vielfach nützt.

Blühende Wiesen sind eine willkommene NAHRUNGSQUELLE für Bienen und andere Insekten.

Im Einklang mit der Natur

In Österreich wird die Heuwirtschaft schon länger gezielt gefördert. In Vorarlberg und Tirol macht die Produktion ganze 40 Prozent aus. Weniger als 0,5 Prozent sind es dagegen in Deutschland. Allgäuer Landwirte aber setzen zunehmend mehr auf die Nische. Zumal das Allgäu ähnliche Naturräume aufweist wie die österreichischen Nachbarregionen – Lebensräume, die dank Heuwirtschaft erhalten bleiben. Denn: Heumilchbauern tragen entscheidend zum Schutz der Artenvielfalt bei. Gemäht wird nämlich erst dann, wenn Gräser und Kräuter in voller Blüte stehen. Zwar bedeutet das ein bis zwei weniger Schnitte pro Sommer, dank entsprechender Pflanzenvielfalt aber auch weniger Düngemittel. Für Bienen und andere Insekten sind die blühenden Wiesen eine willkommene Nahrungsquelle. Hinzu kommt, dass die vielen verschiedenen Insekten für einen tief verwurzelten Grasteppich sorgen – die beste Vorkehrung gegen Erdrutsche, Murenabgänge und Schneebretter. Außerdem können sich Wälder dank Heuwirtschaft nicht willkürlich auf Wiesen und Weiden ausbreiten. Kaum vorstellbar, doch ohne die Arbeit der Heumilchbauern würde die Kulturlandschaft in den Bergen innerhalb von 60 bis 80 Jahren verwalden. Nicht zuletzt hat die nachhaltige Grünlandnutzung einen hohen Humusgehalt im Boden zur Folge. Der wiederum speichert und bindet die darin liegenden, enormen Mengen an CO2, die andernfalls in die Erdatmosphäre entweichen und den Klimawandel beschleunigen würden. Auch speichern humusreiche Böden mehr Wasser und können Trockenperioden besser überdauern.

Hohe Milchqualität

Je artenreicher das Futter, desto besser die Qualität und das Aroma der Milch, zeigen zahlreiche Tests. Heumilchprodukte sind kontrolliert gentechnikfrei, schmecken rein, ohne jeglichen Geruch von Silage, und finden daher wachsenden Anklang bei Milchtrinkern. Aber auch Käsemacher schwören auf den natürlichen Geschmack. Allgäuer Bergkäse und Emmentaler etwa werden seit jeher aus Heumilch hergestellt. Da auf vergorene Futtermittel konsequent verzichtet wird, kommt der Käse ganz ohne Zusatzmittel und Konservierungsstoffe aus. Erwiesenermaßen haben Heumilchprodukte zudem einen rund doppelt so hohen Wert an Omega-3-Fettsäuren als herkömmliche Milchprodukte. Omega-3-Fettsäuren zählen zu den mehrfach ungesättigten Fettsäuren, die der Körper selbst nicht produzieren kann. Unter anderem verbessern sie den Zellstoffwechsel und die Cholesterinwerte, stärken das Immunsystem und erhöhen die Leistungsfähigkeit.

EXTRA Info

Heumilchbauern erhalten im Schnitt 40 Cent pro Liter Milch, für Bio-Heumilch etwa 50 Cent. Für konventionelle Milch gibt es dagegen nur etwa 30 Cent.