Ein Landwirt als Landschaftspfleger
Wie Tiere dabei helfen können, die Artenvielfalt zu erhöhen
Was Landschaftspflege bedeutet und wie sie sich auswirkt, das kann man am Lech unterhalb von Horn sehen. Erst geht man an einem dichten, dunklen Wald vorbei, doch bald öffnet sich die Landschaft und die Fläche wirkt „offen“. Nur ein Zaun verrät, dass hier Tiere im Auftrag des Naturschutzes unterwegs sind.Es ist ein kalter, ungemütlicher Vormittag, als wir uns aufmachen, eine besondere Form der Landschaftspflege zu entdecken. Gebietsbetreuer Thomas Hennemann erklärt: ,,Bevor der Lech begradigt wurde, wurde diese Gegend immer wieder überschwemmt und die Landschaft regelrecht ausgewaschen.“ Schon seit Jahrzehnten ist das nicht mehr möglich und so verdichtete sich der Wald, die Artenvielfalt nahm ab. Um dem entgegenzuwirken, verpachtete unter anderem das Wasserwirtschaftsamt sein Land am Lech bei Horn an das Ehepaar Linder.
„Wir setzen auf einen verantwortungsvollen UMGANG mit der Schöpfung.“
Schon bald sehen wir den Zaun, der das Gelände umgibt. Die gesamte Fläche wirkt wesentlich heller - der Bestand hat sich seit Beginn der Maßnahme gelichtet. Jürgen Linder ist schon an der Arbeit und verlädt an der Futterstelle getrocknetes Bergwiesenheu. Fünf Gallowayrinder und zwei Konikpferde genießen ihr Futter. Die Tiere betreiben Landschaftspflegemaßnahmen und helfen so die Artenvielfalt in dem Auwald zu erhöhen. Sie sind 24 Stunden am Werk - nur im Winter muss etwas zu gefüttert werden, ansonsten reicht ihnen das Futterangebot, das ihnen die Natur präsentiert. Marie und Jürgen sind Landwirte aus Leidenschaft - doch auf eine ganz eigene Art: ,,Wir sind Allrounder,‘‘ erklärt Jürgen.
Der Halblecher ist selbst auf einem Bauernhof groß geworden. Zunächst machte er eine Ausbildung als Werkzeugmacher. Doch die Landwirtschaft ließ ihn nicht los. Seit 2004 ist er als Landwirt tätig - am Anfang auch ohne eigene Flächen. Vielfältig sind die Aufgaben der Linders, die sie unter anderem für den Landschaftspflegeverband Ostallgäu durchführen. So übernehmen sie Mahdarbeiten von extrem steilen Trockenhängen oder nassen Streuwiesen, Entbuschungen, händische Schilfmahd oder beweiden Flächen mit ihren „natürlichen“ Rasenmähern. Das Bergwiesenheu, das sie mähen, verfüttern sie nun in der kalten Jahreszeit an die Gallowayrinder und Konikpferde.
Besonders widerstandsfähig: Gallowayrinder
Im Gründl unterhalb von Horn haben sie es zuerst mit Braun- und Fleckvieh versucht, mussten aber schon bald feststellen, dass diese Tiere mit diesen Bedingungen nicht zurechtkamen und regelrecht abmagerten. Also machten sie sich auf die Suche nach Tieren, die mit diesen besonderen Voraussetzungen besser umgehen konnten. Die Gallowayrinder stehen das ganze Jahr draußen, ihnen machen weder Sturm, Kälte noch Hitze etwas aus. ,,Wir haben ihnen am Anfang einen Unterstand gebaut, doch diesen haben sie gar nicht genutzt“, erzählt Marie Linder. Ein wesentliches Merkmal der Galloways ist ihr doppelschichtiges Fell mit langem, gewelltem Deckhaar und feinem, dichtem Unterhaar. Dies und ihre vergleichsweise dicke Haut sowie der angepasste sparsame Stoffwechsel machen sie besonders widerstandsfähig. Deshalb können sie ohne Probleme auch harte Winter im Freien überstehen. Dazu kommen noch zwei Koniks. Sie sind ideal dazu geeignet, um frisch aufwachsende Gehölze niedrig zu halten. Jeden Tag schaut jemand von der Familie oder einer der beiden Helfer vorbei, ansonsten leben die Tiere frei in ihrem Gehege. Im Sommer genügt den Tieren das, was sie im Wald und an kleinen Flächen zu fressen finden. Sie kommen mit den gegebenen Umständen perfekt zurecht und können so einen Beitrag zur Landschaftspflege leisten. So schützen sie den Erhalt von Graslandflächen, Blumenwiesen und Weiden und erhalten so die Biodiversität der Natur.
Von der Natur- zur Kulturlandschaft
Seit Menschen sesshaft geworden sind, gestalten sie ihre Umwelt. In Mitteleuropa begannen sie spätestens im frühen Mittelalter, die Landschaft ganz bewusst zu ihrem Nutzen umzugestalten. Der Mensch rodete Wälder um Siedlungen, Äcker und Weiden anzulegen. Flüsse wurden begradigt und Moore trockengelegt, um weiteres Land urbar zu machen. Auf der Suche nach Rohstoffen wurden ganze Landstriche umgegraben, untertunnelt oder abgetragen. Aus einer Naturlandschaft wurde eine Kulturlandschaft. In dieser Kulturlandschaft entstanden zunächst neue Lebensräume, in denen sich viele Tiere und Pflanzen, teilweise sogar aus weit entlegenen Gebieten wie den Steppen Osteuropas, ansiedelten. Es war eine Landschaft mit enormer Artenvielfalt. Mit den technischen Errungenschaften der modernen Zivilisation war es dem Menschen möglich, die Landschaft intensiver zu nutzen. Die ansteigende Bevölkerungszahl benötigte mehr Siedlungsraum, Gewerbegebiete und Straßen.
Anfang des 20. Jahrhunderts setzte ein rasanter Rückgang der Vielfalt der Lebensräume und zugleich ein Artensterben ein. Der Trend hält bis heute an und hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich beschleunigt. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Lechheiden bei Augsburg. Wo bis vor hundert Jahren noch Orchideen blühten und die Heidelerche sang, befinden sich heute Äcker, Straßen und Neubausiedlungen. Heute ist nur noch ein Prozent der einstigen Heidefläche übriggeblieben. Die Landschaftspflege kümmert sich um den Erhalt von Lebensräumen, die größtenteils der Mensch geschaffen hat, beispielsweise mähen Landschaftspfleger Magerrasen, setzen eine Hecke „auf den Stock“ oder schneiden Kopfweiden. Auf diese Weise betreibt sie nicht nur Arten- und Biotopschutz, sondern auch den Schutz unseres Kulturerbes, ähnlich der Denkmalpflege.
Einsatz auch für ganz kleine Lebenwesen
Außerdem geht es der Landschaftspflege darum, sowohl ein attraktives Landschaftsbild, den Erholungswert in der Natur und vor allem die Biodiversität zu erhalten. Und diesem Auftrag haben sich die Linders verschrieben. Da kann es schon mal sein, dass ein Einsatz für ein eher kleines Lebewesen notwendig wird. Am Bannwaldsee gab es zwei Population des seltenen Hochmoorlaufkäfers. Da dieser aber flugunfähig ist, fanden sie nicht mehr zueinander. Durch das Freilegen einer Schneise können nun die beiden Populationen vereint werden. ,,Wir setzen auf einen verantwortungsvollen Umgang mit der Schöpfung - dies ist nicht nur für Bauern wichtig, sondern für alle“, erklärt Jürgen Linder. Text: Anke Sturm