Waschen, scheren, föhnen
Kuhfriseur Tobi aus Rückholz macht Rinder hübsch
Wenn Tobias (Tobi) Guggemos im Ostallgäu unterwegs ist, wirkt es so, als würden ihn alle kennen. Viele Male schon war der Landwirt aus Rückholz in der Zeitung und sogar im Fernsehen. Denn: der 23-Jährige hat ein außergewöhnliches Hobby. Tobi frisiert Kühe.Bereits mit acht Jahren schaute er aufmerksam zu, wenn der Vater die Rinder im Stall scherte oder ein sogenannter Kuhfitter kam, um die Tiere für Zuchtschauen herauszuputzen. Dass Tobi das Kuhfitting, also das Styling für Kühe, irgendwann nahezu perfektionieren würde, konnte damals noch keiner ahnen.Mit der ersten eigenen Kuh fing alles an…
Mit HAPPY gewann er den ersten Preis.
Zwischen Wald und Wiesen, auf einem Ferienhof oberhalb von Rückholz, lebt Tobi mit seinen Eltern, drei Geschwistern, 80 Milchkühen und einigen Pferden. Mit zwölf Jahren schenkte ihm der Vater die erste eigene Kuh: Happy. Sie schloss er ins Herz, wusch, scherte und pflegte sie, bis er irgendwann zu Föhn, Farbe und Kamm griff und nachahmte, was er beim Kuhfitting schon Jahre zuvor beobachtet hatte. Tobi übte und übte, wurde stetig besser – und Happy zusehends schöner. Gemeinsam fuhren sie schließlich zu Ausstellungen und gewannen prompt ihre ersten Preise.
Heute säumen zahlreiche Orden, Medaillen, Urkunden und Pokale das Wohnzimmer der Familie Guggemos. Was einst als Spaß begann, wurde Tobis große Leidenschaft. Auf mehreren Zuchtschauen jährlich ist er unterwegs, knüpft dort gerne Kontakte zu anderen Züchtern und macht Rindern die Haare schön. In Deutschland, Österreich und der Schweiz. Anregungen holt er sich bei anderen Kuhfittern. In der Schweiz, zum Beispiel, gibt es richtige Profis. Bei einem von ihnen machte Tobi ein Praktikum.
Kuh-Models
„So eine Zuchtschau ist wie eine Modenschau für Kühe“, sagt Tobi. Wie elegant eine Kuh nach einem Fitting aussehen kann, fasziniert ihn dabei immer wieder. Wenn das eigene Tier dann auch noch gewinnt, ist das natürlich das Größte. Doch was überhaupt gilt als „schön“ bei einer Milchkuh? Zum einen ist da das Euter. Die Zitzenstellung sollte gerade und die Beaderung möglichst gut zu sehen sein. Ein Euter mit vielen Adern zeige, dass es ordentlich durchblutet und leistungsstark sei. Dann gibt es da noch die Rückenlinie an der Wirbelsäule, die sogenannte Topline. Je gerader diese Linie, desto langlebiger die Kuh, heißt es. Auch eine breite Brust ist ein Schönheitsideal. Dort nämlich sitzen die Organe.
All diese Merkmale hebt der Kuhfitter hervor. Tobi hat dafür jede Menge Werkzeug im Einsatz: drei Schermaschinen (eine kleine, leise für die empfindlichen Ohren, eine große für breite Körperflächen und eine mit einem besonders feinen Messer für die Topline), einen Föhn, einen Kamm, eine Schere, Glanzspray fürs Fell, schwarzes Spray für die Klauen, Kleber für die Topline und Babyöl fürs Euter.
Schon Monate im Voraus beginnen die Vorbereitungen auf eine Zuchtschau. Immer wieder werden die Rinder gewaschen und mehrmals geschoren. Dadurch nämlich werde das Haarkleid umso feiner. Drei bis vier Tage vorher sei dann am meisten zu tun: „Da wasche ich nochmals den ganzen Körper, lasse ihn trocknen und schere alles sauber durch“, erklärt Tobi. Die Topline ist das Einzige, das Tobi erst am Schautag stylt.
Erst mal entspannt ankommen
Anders als manch andere Kuhfitter reist er, wenn möglich, immer schon einen Tag vor der Show an. „Es ist mir wichtig, dass die Tiere erst einmal ganz entspannt ankommen in ihrem neuen Umfeld, sich wohl fühlen, Ruhe haben und ihren Rhythmus finden“, erzählt er. Natürlich sei der Planungsaufwand dafür höher, denn wann immer Tobi unterwegs ist, fehlt seine Hilfe auf dem Hof.
Doch die Familie unterstützt ihn, so auch seine Partnerin sowie die Freunde und Kollegen aus dem Jungzüchterclub, in dem Tobi Vorsitzender ist.
Nicht nur auf dem Hof, auch bei den Veranstaltungen helfe man zusammen. Bei der letzten Ausstellung in Wertingen bei Augsburg vor wenigen Wochen etwa reiste Tobi mit zwölf Jungzüchtern und zehn Tieren an. Der Spaß komme dabei nie zu kurz. „Gute Musik und einen Pizzaofen haben wir eigentlich immer dabei“, lacht Tobi.
Ein neuer Bezug zur Tierzucht
Und doch steckt hinter alldem auch ein ernster Gedanke. Mit seinem Hobby will er vor allem junge Menschen für die Landwirtschaft begeistern. Durch Tobis Arbeit erhalten sie einen Zugang zur Tierzucht. Er möchte den Menschen zeigen, wie wichtig Hingabe und Herzblut im Umgang mit den Tieren sind. Ein liebevoller Bezug zu den eigenen Kühen sei essenziell für einen Milchbauern, findet Tobi. „Die Tiere sind unsere wertvollsten Mitarbeiter“, sagt er. All seine Kühe haben daher auch Namen und nicht einfach Nummern. Um junge Landwirte für den Umgang mit ihren Rindern zu sensibilisieren, engagiert er sich eifrig im Jungzüchterclub. Und im nächsten Jahr möchte er sogar Kurse auf seinem Hof anbieten. Dies sei auch deshalb so wichtig, da die Landwirtschaft oft von Negativ-Schlagzeilen überschattet werde.
Rinder-Nightshow
Viel hat er bereits in die Wege geleitet in Punkto Öffentlichkeitsarbeit. Schon zweimal stellte er unter anderem eine große Rinder-Nightshow auf die Beine, zuletzt sogar auf dem eigenen Hof. Fast 1 000 Besucher – darunter viele Familien mit Kindern – kamen allein im vergangenen Jahr, um die Show zu sehen, allerschönstes Allgäuer Braunvieh zu bewundern, sich zu informieren und auszutauschen – zum Beispiel über die neueste Technik. Der Ferienhof Guggemos eignet sich nämlich bestens dafür, gilt er doch als Vorzeigebetrieb für eine moderne Milchviehzucht. Kontinuierlich investiert die Familie, um technisch auf dem neuesten Stand zu sein. Zum einen geht es darum, die eigene Wirtschaftlichkeit voranzutreiben. Zum anderen – und das ist Tobi am wichtigsten– um das Wohl der Tiere.
Dass die ihm so viel zurückgeben von der Zuwendung, die er ihnen entgegenbringt, ist für den jungen Landwirt eine wahre Freude. „Die Kühe zeigen Dir, wie Du mit ihnen umgehst“, erklärt er. Seine Lieblingskuh Verona genießt Tobis Zuneigung zum Beispiel so sehr, dass sie ihm überall brav hinterherläuft, stets ruhig stehenbleibt, wenn er gerade am Frisieren ist, und ihn gerne auch mal liebevoll abschleckt. Fünf Ausstellung hat Tobi bereits mit Verona besucht und schon einige Erfolge mit ihr gefeiert. Obwohl der junge Landwirt hin und wieder auch von anderen Betrieben gebucht wird – im Januar etwa stylte er zwei Kaufbeurer Rinder für deren großen Auftritt auf der „Grünen Woche“ in Berlin –, möchte er sein Hobby nicht zum Beruf machen. Viel zu sehr liebt er die Arbeit auf dem heimischen Hof. Und kommerzielle Kuhfitter sind nahezu ständig unterwegs. Nein, dafür ist Tobi viel zu gerne zuhause. Ein Glück für die Allgäuer Landwirtschaft. Text: Daniela Himmel