Leben

Ohne Dackel und Gewehr

Das Försterklischee mit Filzhut und Jagdhund hält sich hartnäckig. Die Wahrheit sieht anders aus

Foto: Ralf Lienert

Foto: Ralf Lienert

Die ersten Sonnenstrahlen des Tages blinzeln durch die Kronen der Blätter und der Tau steigt zwischen den rauen Baumstämmen empor. Sein Gewehr geschultert und seinen Hund nah bei sich sieht der Förster im Dickicht des Waldes nach dem rechten.       

Halt, stopp. Diese Geschichte beginnt anders. Denn wir schreiben das Jahr 2021 und der Alltag eines Försters hat sich in den vergangenen 50 Jahren radikal weiterentwickelt. Roman Prestele ist als Geschäftsführer mit der Forstbetriebsgemeinschaft Oberallgäu e.V. (FBG) für über 25.000 Hektar Wald zuständig. Er gibt einen kleinen Einblick in die Arbeit eines modernen Försters. 
     

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Eine Waldbesitzerin testet zusammen mit Roman Prestele, Tobias Jäger und Fabian Popp von Waldstolz die Satellitenüberwachung eines Waldes bei Immenstadt. Das Oberallgäu ist Modellregion für das Start-Up. Foto: Matthias Becker

„Wir kümmern uns um die Gesamtheit des Waldes: Pflanzen, Insekten, Kleintiere, den Baumbestand, rechtliche Geschichten und vieles mehr“, erklärt Prestele seine Arbeit als Förster. „Im Rahmen einer tiefergehenden Ausbildung – des Studiums – lernen Förster die nötigen Kompetenzen, um die Prozesse im gesamten Wald zu verstehen“, so der Diplom-Forstingenieur. Das bringt natürlich auch einiges an Büroarbeit mit sich und so teilt sich der Alltag des Försters auf zwei Schauplätze auf: das Büro und den Wald.

„Wir betreuen die Eigentümer bei der Waldbewirtschaftung. Das heißt, wir bereiten geplante Schlägerungen, sogenannte Hiebe, vor, geben Gutachten ab, ermitteln den Wert der Flächen, kümmern uns um Einkauf, Verkauf, Logistik und stellen Rechnungen aus.“ Die Liste der Aufgaben ist lang. Und ein großer Teil davon muss eben im Büro erledigt werden. Der Geschäftsführer der FBG geht ins Details: „Bei einem Hieb müssen wir abwägen, welche Technik eingesetzt werden soll. Wie zugänglich ist die Fläche? Was ist dort für die Natur verträglich? Je nachdem kann die Wahl vom Pferd über einen Harvester bis zur Seilkrananlage reichen.“ 
    

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Foto: Michael Mayr

Prestele und sein Team sind PEFC-zertifiziert. Das ist eine Zusatzzertifikation für nachhaltige Waldwirtschaft. In der heutigen Zeit ist Nachhaltigkeit zwar zum Modewort avanciert, in der Waldwirtschaft hat es allerdings eine viel größere Tragweite. „Der Produktionszeitraum im Wald ist etwa 100 Jahre“, sagt Roman Prestele und die Worte hallen kurz nach. „Damit kommt Verantwortung“. In der heutigen Gesellschaft ist diese Zeitspanne kaum vorstellbar. Doch bedeutet es für den Förster, dass er viel langfristiger denken muss. Das ist mitunter ein Grund dafür, dass der Klimawandel im Alltag des Forstingenieurs omnipräsent ist. „Wir haben im Jahr etwa 100.000 Neupflanzungen. Das nutzen wir dafür, um den Wald klimatolerant zu machen.“ Das bedeutet durch das Pflanzen von verschiedenen Baumarten die Biodiversität im Wald zu erhöhen. „Starkniederschläge, Winde und Trockenperioden werden zunehmen und diese Wetterextreme sind für manche Baumarten ein Problem“, erklärt Prestele. Die Fichte brauche beispielsweise viel Feuchtigkeit. In anderen Gegenden wie im trockenen Mitteldeutschland oder auf dem Balkan sieht man die Auswirkung auf die Fichte sehr deutlich, aber auch Baumarten, die trockenresistenter sind. „Grundsätzlich geht man davon aus, dass das Wetter wärmer und trockener wird. Wobei wir hier im Allgäu noch in einer relativ kühlen und feuchten Gegend leben“, so der Förster. Aber wer weiß schon, wie das Klima in 80 Jahren aussehen wird. Die Prognosen weisen zumindest die Richtung und ein Baum der heute gepflanzt wird, sollte dem Klima in 80 Jahren standhalten können. „Wir gehen nicht blind an einen Standort, sondern wählen gezielt Baumarten, die zu Bodenverhältnissen und Kleinklima passen, aus.“

Um die Entwicklung des Waldes bestmöglich steuern zu können und schnell vor Ort sein zu können – sollte beispielsweise ein Borkenkäfer einfallen – arbeitet die FBG mit einem jungen Start-Up zusammen, das die Waldentwicklung per Satellit überwacht. Das Projekt befindet sich dieses Jahr in der Testphase, aber feststeht: Mit Dackel und Gewehr wird man Roman Prestele nicht antreffen. Michael Mayr