Eine Frage von Leben und Tod
Am 1. Januar 2022 standen in Deutschland 8458 Patienten aktiv auf der Eurotransplant-Warteliste. Im Vergleich dazu – 3260 Organtransplantationen von verstorbenen Spendern wurden 2021 durchgeführt. Grundsätzlich kann ein Spender, dem mehrere Organe entnommen wurden, bis zu sieben Menschenleben retten. Doch wie kommt es zu einer Organspende? Welche Vorgaben, Voraussetzungen und Kriterien gibt es? Dr. med. Henry Fehrenbach ist Kindernephrologe, Oberarzt und Leiter des KfH-Nierenzentrums für Kinder und Jugendliche in Memmingen und kennt sich mit dem Thema Organspende aus.Welche unterschiedlichen Spenden gibt es?Es wird unterschieden zwischen einer Organ-, Lebendorgan-, Gewebe- und einer Stammzellenspende.Welche Organe können zu Lebzeiten gespendet werden?In Deutschland werden derzeit Nieren und Teile der Leber von Lebendspendern übertragen.
Welche Voraussetzungen gibt es für die Lebendorganspende?
Das deutsche Transplantationsgesetz erlaubt eine Lebendspende nur, wenn sich der volljährige Spender und Empfänger sehr nahestehen, also zum Beispiel Verwandte ersten oder zweiten Grades sowie Ehepartner. So müssen sowohl die spendende als auch die empfangende Person gewisse Voraussetzungen erfüllen, um die Risiken so gering wie möglich zu halten. Der Spender durchläuft einen Weg mit vielen medizinischen Untersuchungen, um sicherzugehen, dass der Eingriff kein großes Risiko darstellt. Am Ende entscheidet zudem eine Ethikkommission der Landesärztekammer Landesärztekammer oder auch die Ethikkommission der transplantierenden Klinik. Diese prüft, ob die Spende freiwillig erfolgt und ob sowohl Spender als auch der Empfänger psychisch stabil sind.
Welche Folgen hat die Organentnahme für den Spender?
Der Spender muss sich bewusst sein, dass es sich um einen operativen Eingriff mit Vollnarkose handelt. Neben einer Narbe wird der Spender eventuell postoperative Schmerzen haben. Nach dem Eingriff muss er sich zwischen ein bis drei Monaten zuhause erholen und sich jährlich untersuchen lassen. Zudem ist eine gesunde Lebens- und Ernährungsweise wichtig.
Positiv kann sich die Entscheidung auf die Beziehung zwischen Spender und Empfänger auswirken. In vielen Fällen festigt sich die Bindung langfristig durch das geschenkte Organ.
Welche Voraussetzungen sind für die postmortale Spende nötig?
Sind die Organe eines Menschen aus medizinischer Sicht für eine Organspende geeignet, entscheiden zwei Faktoren darüber, ob diese auch wirklich entnommen werden dürfen: Zum einen ist eine Organentnahme nur zulässig, wenn das ausdrückliche Einverständnis des Spenders oder, sollte dies zu Lebzeiten nicht gegeben worden sein, auch das Einverständnis der nächsten Angehörigen vorliegt. Zum anderen müssen zwei Fachärzte unabhängig voneinander den Hirntod des Patienten nach den Richtlinien der Bundesärztekammer feststellen.
Was bedeutet Hirntod?
Mit dem Hirntod ist naturwissenschaftlich-medizinisch der Tod des Menschen festgestellt. Wenn der irreversible Ausfall der Gesamtfunktionen von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm eindeutig nachgewiesen wurde, gilt der Patient als hirntot. Sind die Kriterien erfüllt, wird das Herz-Kreislauf-System eines Hirntoten vorübergehend maschinell aufrechterhalten. So werden Organe weiter durchblutet, um sie anschließend zu transplantieren.
Wie sicher ist der Test zur Feststellung des Hirntods?
Zwei unabhängige, speziell qualifizierte Ärzte stellen nach ganz genau definierten Regeln den unumkehrbaren Hirnfunktionsausfall fest. Es ist eine der sichersten Diagnosen, die es in der Medizin überhaupt gibt. Die Diagnostik umfasst ein mehrschrittiges Vorgehen, das die Ärzte über Stunden bis hin zu Tagen durchführen.
Wie wird der Hirntod festgestellt?
Unabdingbare Voraussetzung ist das Vorliegen einer akuten schweren Hirnschädigung, nachgewiesen beispielsweise durch bildgebende Verfahren, wie eine MRT oder CT Untersuchung. Des Weiteren untersuchen die Ärzte die Hirnstammreflexe. Hierzu gibt es verschiedene Anzeichen, wie das Ausfallen der Pupillenverengung bei Licht. Fällt bei einem Patienten die Spontanatmung bei der Untersuchung aus, ist dies ein weiteres Zeichen für den Hirntod. Die Diagnose beinhaltet noch viele weitere Untersuchungen und Tests – um zu belegen, dass der Ausfall der Hirnfunktionen tatsächlich unumkehrbar ist, werden die Untersuchungen im letzten Schritt mit zeitlichem Abstand wiederholt oder apparative Zusatzuntersuchungen durchgeführt. Ist der Hirntod bei einem Patienten diagnostiziert, werden die lebenserhaltenden Maschinen abgestellt, wenn es nicht zur Organentnahme kommt.
Welche Kriterien gibt es zur Vergabe der gespendeten Organe?
Die Zahlen und Statistiken zeigen es – es sind weniger gespendete Organe vorhanden, als benötigt werden. Damit das Vorgehen der Spende für Patientinnen und Patienten fair abläuft, werden sie in eine Warteliste aufgenommen. Die Stiftung Eurotransplant koordiniert die Liste und vermittelt die Vergabe von Spenderorganen in acht europäischen Ländern: Belgien, Deutschland, Kroatien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Slowenien und Ungarn.
Welcher Patient nun das gespendete Organ erhalten wird, hängt von drei verschiedenen Faktoren ab. Rettet eine Transplantation das Leben des Empfängers? Wie stark verbessert sich die Lebensqualität? Wie ist der erwartete Erfolg nach der Transplantation?
Steht ein Patient auf der Liste, werden die Daten an die Stiftung Eurotransplant weitergegeben. Nun beginnt die Zuteilung von Organen. Bei der Zuteilung werden verschiedene Merkmale, wie zum Beispiel die Blutgruppe und den Gewebetyp des Spenders und des Empfängers, berücksichtigt. Umso mehr Übereinstimmungen, desto höher die Erfolgschancen.
Die Nieren
Sie regulieren den Salz- und Wasserhaushalt, filtern das Blut und sorgen dafür, dass Giftstoffe aus dem Körper ausgeschieden werden. Die Niere ist das am häufigsten transplantierte Organ. Im Jahr 2020 wurden in Deutschland rund 1.900 Stück transplantiert.