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100 Jahre und (k)ein Fest

Das Jubiläumsjahr verläuft für „D'Allgäuer Waltenhofen“ anders als geplant

Der Trachten- und Heimatverein „D'Allgäuer Waltenhofen“ besteht heuer seit 100 Jahren. Fotos (2): Fotofabrik Kempten

Der Trachten- und Heimatverein „D'Allgäuer Waltenhofen“ besteht heuer seit 100 Jahren. Fotos (2): Fotofabrik Kempten

Wie tief die Enttäuschung ist, kann ein Außenstehender nur erahnen. Schließlich haben die Mitglieder des Festausschusses die vergangenen drei Jahre alles gegeben, um das 100-jährige Bestehen des Trachten- und Heimatvereins „D'Allgäuer Waltenhofen“ gebührend feiern zu können. Nicht nur, dass das alljährliche Walkartsfest anlässlich des runden Geburtstages in „XXL-Version“ stattfinden sollte. Nein, zugleich sollte das 86. Gautrachtenfest ausgerichtet werden – das erste Mal nach 50 Jahren.

„Mit großer Kreativität, zeitlichem Engagement und Zusammenhalt waren die Planungen vorangetrieben worden. Wir waren auf einem Stand angekommen, bei dem sich alle Organisatoren auf die Durchführung des Festes gefreut hatten“, erzählt 1. Vorstand Stefan Sommer. Von Abfallbeseitigung bis Zeltbeleuchtung sei alles vorbereitet gewesen. Zum großen Festzug hätten sich bereits über 65 Gruppen mit an die 2000 Teilnehmern angemeldet.

Und noch Ende Januar habe man eine Wallfahrt nach St. Leonhard in Inchenhofen gemacht und dort das Vereinsmitglied Dekan Stefan Gast besucht. Neben einem Gottesdienst und einer Kirchenführung wurde natürlich auch eingekehrt – ein fröhlicher Auftakt ins Jubiläumsjahr. „Doch frei nach der Allgäuer Redensart: Au kleine Leut kennet an große Schatte mache', hat uns ein kleiner Virus mit seinen großen Auswirkungen in eine Situation gebracht, mit der keiner gerechnet hat.“ Kurzum: Corona, die damit einhergehende Ansteckungsgefahr und das Verbot von Großveranstaltungen machte allem einen Strich durch die Rechnung und sämtliche Festivitäten mussten abgesagt werden. Ein Schicksal, das heuer unzählige Vereinsfeste ereilte.

Keine Verschiebung

„Eine Verschiebung in den Herbst war uns zu ungewiss“, erklärt Sommer. „Und auf nächstes Jahr auszuweichen, kam auch nicht in Frage. Wir möchten unseren Vereinskollegen aus Altusried nicht in die Quere kommen, die 2021 fürs Gautrachtenfest zuständig sind.“ Abgesehen davon sei bei allen an der Organisation Beteiligten nach der Hiobsbotschaft „die Luft rausgewesen“.
 

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1. Vorstand Stefan Sommer

Umso mehr ist er allen, die „D'Allgäuer Waltenhofen“ unterstützt haben, sehr dankbar – seien es die an den Vorbereitungen Beteiligten, befreundete Vereine, Sponsoren, Spender oder die Bevölkerung. „Egal bei wem wir mit einer Anfrage oder Bitte vorgesprochen haben, wurde stets Hilfsbereitschaft und Unterstützung für unser Vorhaben signalisiert“, berichtet der Vorstand erfreut. Jetzt heiße es für alle 200 Mitglieder, die Absage zu verdauen – und optimistisch nach vorne zu schauen.

Kleiner Rückblick

Für unsere Leserinnen und Leser blicken wir aber zunächst noch zurück in die 100-jährige Geschichte des Vereins. Gegründet wurde der Gebirgstrachtenerhaltungsverein „D'Allgäuer Waltenhofen“ am 7. August 1920 von 26 Waltenhofener Bürgern, die sich die Treue zum guten alten Brauch zum Ziel gesetzt hatten. Fast vier Monate später wurde der Verein in den Allgäuer Gauverband aufgenommen. Ein Gründungsfest fand dann im Januar 1921 im Klaus’schen Gasthof in Waltenhofen statt.
  

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Gründungsausschuss: 26 Waltenhofener setzten sich im August 1920 die Treue zum guten alten Brauch zum Ziel. Foto: Archiv
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Ganzer Stolz des Vereins: die Jugendgruppe. Hier ein Bild aus dem Jahr 2010. Foto: Eddi Nothelfer

Den Vereinsprotokollbüchern ist zu entnehmen, dass bei diesem Fest fleißig geplattelt, gesungen und gefeiert und sogar ein Einakter aufgeführt wurde. Schon bald schafften sich die Trachtler eine Vereinsfahne an. Diese wurde voller Stolz im April 1922 feierlich eingeweiht.

Bis zum heutigen Zeitpunkt hat der Verein mehrere Gauveranstaltungen ausgerichtet. So zum Beispiel das 13. Allgäuer Gautrachtenfest im Juli 1935 sowie das 40. Allgäuer Gautrachtenfest 1970. Gaujugendtag 1987 und 2000, Gauheimatabend 2010, Gauvereinsspielertreffen 2013 und Gaujugendfasching 2019 waren weitere Highlights in der Vereinsgeschichte.

Während des 2. Weltkrieges wurde die Vereinstätigkeit für einige Zeit eingestellt, im Februar 1946 fanden eine Neugründungsversammlung und die Wiederaufnahme der Vereinstätigkeit statt.

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Das Walkartsfest steht jedes Jahr unter einem anderen Motto. 2011 lautete es „Gruselkabinett“. Foto Hermann Ernst
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2016 dagegen drehte sich alles ums Thema „Jahrmarkt“. Foto: Martina Diemand
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Vergangenes Jahr konnte die Fenteskapelle beim 40. Walkartsfest ihr 35-jähriges Bestehen feiern. Foto: Franz Summerer

Stolz auf Jugendgruppe

Besonders stolz ist der Verein auf seine Jugendgruppe, die Jahr 1971 gegründet wurde, und die sich bis heute großer Beliebtheit erfreut. Eine große Bereicherung ist zudem die Fenteskapelle. Diese formierte sich 1984 aus Musikanten des Vereins sowie Nachbarsburschen und Freunden. Seitdem wird der Verein bei vielen Umzügen und Veranstaltungen unterstützt. Die Fenteskapelle legt viel Wert auf die Kameradschaft unter den Musikanten. Auch eine Theatergruppe gibt es. Sie führt in regelmäßigen Abständen Drei- und Ein-Akter auf.

Ein wichtiges Ereignis ist das jährliche Maibaumaufstellen, das der Verein seit vielen Jahren im Weiler Walkarts ausrichtet, bei dem auch die Jugendgruppe die zahlreichen Besucher mit Darbietungen erfreut. Auch dies fiel heuer Corona „zum Opfer“.

Die Vereinsjubiläen zum 70-, 75-, und 90-jährigen Bestehen wurden jeweils im Rahmen eines Heimatabends auf dem Walkartsfest gefeiert. Das Walkartsfest ist ein jährlich stattfindendes dreitägiges Stadelfest, das seit vielen Jahren vom Trachtenverein ausgerichtet wird. Entstanden ist es aus einem Nachbarschaftsfest, zu dem im Laufe der Jahre immer mehr Besucher kamen. Heute ist das Fest fester Bestandteil des Waltenhofener Kulturlebens – und Quelle zahlreicher lustiger Geschichten. So ist beispielsweise überliefert, dass sich einst ein Liebespaar zu später Stunden hinter den Feststadel verzog und sich im Eifer des Gefechts auf eine Katze legte. Da war's dann schlagartig vorbei mit der Romantik ... Einmal soll auch ein junger Landwirt, nachdem er am Festabend ausgiebig gezecht hatte, am folgenden Tag beobachtet worden sein, wie er auf seinem fahrenden Traktor schlafend permanent im Kreis fuhr. Für etwas „Unmut“ sorgte dagegen die Anschaffung einer Spülmaschine für Bierkrüge. Hatten doch Reinhold Bader und Ehrenvorstand Xaver Rottach jahrelang zuverlässig und gewissenhaft diese Aufgabe per Hand erledigt. Ob man sie nun etwa „aussortieren“ wolle, war ihre (natürlich scherzhaft) vorgetragene Sorge. Es dauerte allerdings nicht lange, bis die beiden die Vorzüge der Maschine für sich entdeckten – nämlich mehr Zeit fürs Biertrinken, Ratschen und Feiern ...

Mitglied wird Priester

Ein besonders schönes Fest durfte der Verein übrigens am 4. Mai 1997 mitfeiern. Mitglied Stefan Gast empfing im Dom zu Augsburg die Priesterweihe und feierte wenige Tage darauf die Primiz in seiner Heimatgemeinde Waltenhofen. Bei strahlendem Sonnenschein konnte der Neupriester sein erstes heiliges Messopfer zusammen mit etwa 3000 Gläubigen feiern. Natürlich durfte bei diesem großen Fest der Trachtenverein nicht fehlen. Mit Vereinsfahne, Jugendgruppe und vielen Trachtlern beteiligte er sich beim Kirchzug zum Primizplatz und bei der anschließenden Feier mit dem Mühlrad und dem Olympiaplattler. Das Geschenk des Trachtenvereins ist das schöne Primizkreuz, das in Walkarts vor seinem Elternhaus steht. Stefan Gast hat es zusammen mit vielen Plattlern und Walkartser Nachbarn eingeweiht.