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„Ho ho ho und ne Buddel voll Rum!“

Vom Piratenschnaps zum Edeltropfen

Foto: ©Aleksandar Mijatovic / stock.adobe.com

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Cuba Libre, Mojito, Daiquiri–Raus aus diesen Mischverhältnissen! Mit seiner unvergleichlichen Bandbreite an Aromen etabliert sich der Rum immer mehr zu einer Spirituose mit eigenem Kosmos und missioniert sogar den ein oder anderen Whiskey-Jünger. (Man stelle sich folgend einen spanischen Akzent und eine leise Salsa-Gitarre vor) Angefangen hat alles auf den Zuckerrohrfeldern unter der warmen Karibiksonne, kurz nach der Entdeckung Amerikas. Auf den angelegten Zuckerrohrfeldern auf den karibischen Inseln arbeiteten hauptsächlich Sklaven. Sie waren es, die zuerst das Zuckerrohr gebrannt haben. Schnell begeisterte die Wirkung und der Geschmack des „Kill Devils“– wie man den Rum damals noch nannte – auch Seefahrer und Piraten und so gelangte die Spirituose in alle Ecken der Welt. Der Rum kam also viel rum. Mittlerweile wird Zuckerrohr in fast allen tropischen Gebieten der Welt angebaut, weswegen die Liste der Rumproduzenten deutlich länger geworden ist. Heutzutage importieren auch viele nichttropische Staaten Melasse, oder jungen Alkohol, um in den heimischen Klimata einen eigenen Versuch zu wagen.Rum-ProduktionDie Grundlage des Piratenwassers ist Zuckerrohr. In den meisten Fällen wird kein reiner Zuckerrohrsaft, sondern die Melasse für die Weiterverarbeitung hergenommen. Ein Gemisch aus Melasse, gehäckseltem Zuckerrohr, Zuckerrohrsaft und Wasser bildet die Maische. Anschließend wird auf ein Alkoholprozentgehalt zwischen vier und fünf Prozent fermentiert und danach auf bis zu 75 Prozent Alkoholgehalt destilliert. Verdünnt man dieses Destillat mit Wasser, erhält man weißen Rum. Damit ist die eigentliche Herstellung des „Kill Devils“ abgeschlossen.

Die Wissenschaft der Fässer

Für den Weg des Rums von den Piratenspelunken in die Edelregale der Hochgastronomie ist ein weiterer Produktionsschritt ausschlaggebend: Die anschließende Fassreifung.

Durch diesen Reifungsprozess nimmt der weiße, ungelagerte Rum eine bräunliche Färbung an. Die Farbe kann je nach Dauer der Reifung, Zustand der Fässer und vorherigem Fassinhalt unterschiedlich ausfallen. Oft wird zusätzlich noch Zuckercouleur zur Einfärbung verwendet. Die Fassreifung macht den Rum zum süßen Bruder des Whiskeys. Dabei werden ausschließlich benutzte Fässer verwendet, die je nach Anzahl der vorigen Füllungen kategorisiert werden können: 1st Fill, 2nd Fill und 3rd Fill (einmal, zweimal, oder dreimal wieder befüllt, danach werden die Fässer für üblich entsorgt). Die gelagerte Spirituose nimmt die ins Holz gelangten Aromen auf. Die Geschwindigkeit dieses Austauschs hängt von dem Verhältnis von Holzoberfläche zu Fassinhalt ab. Durch Art und Dauer der Reifung, Wahl der Fässer, Reihenfolge und vieles mehr, sind der Komplexität (ebenso wie dem Preis) des Rums keine Grenzen mehr gesetzt. Der teuerste Rum der Welt wurde für stolze 100000 Euro verkauft!

Einfluss des Klimas

Die Produktion von Rum findet größtenteils in tropischen Gegenden statt. Aufgrund des warmen und feuchten Klimas dort unterscheiden sich die Bedingungen für eine Fassreifung ungemein von denen für Whisky. Auf den kalten, regnerischen schottischen Hebriden kann ein Scotch schonmal 30 Jahre im Holzfass verbringen. Wärme beschleunigt den Geschmacksaustausch zwischen Holz und Inhalt. Einen 30-jährigen Rum zu finden ist daher eine eher schwere Aufgabe (außer das Grundprodukt wurde zur Reifung in die Fasshallen Schottlands verbannt). Im Normalfall lagert der Rum zwischen drei und zehn Jahren im Fass, bis er abgefüllt und verkauft wird. Aber nicht jeder braune Rum ist auch fassgereift. Manchmal geben die Firmen schlichtweg Zuckercouleur zum weißen Rum hinzu um den Anschein einer Lagerung zu erwecken.
         

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Die Geschmacksvielfalt

Die Besonderheit bei Rum: die Aromenauswahl ist ohnegleichen. Angefangen bei den verschiedenen Zuckerrohrsorten, über die Melasse, das Blending (Mischen verschiedener Rums) bis hin zum Finishing gibt es die Möglichkeit Aromen zuzuführen. Überlegt man nun weiter, welche Geschmäcker in den klassischen Rumanbaugebieten heimisch sind, so beginnt eine lange, bunte Liste: Ananas, Zitrone, Orange, Mango, Maracuja, Granatapfel, Kaffee, Schokolade, Nüsse und noch vieles mehr. Kombiniert man diese Geschmäcker noch mit der hohen Kunst der Fassreifung, so ergibt sich ein aromatisches Spektrum, das in der Spirituosenwelt bisher unerreicht ist. So kann man vom sahnig, nussigen Rum mit leichter Schokoladen- und Kaffeenote bis hin zum quickigen, fruchtigen exotisch anmutenden Tropfen alles bekommen.

Diese Geschmacksvielfalt ist zu schade, um sie nur in Cocktails und Longdrinks zu verstecken. Der pure Genuss von Rum ist daher auch immer mehr am Kommen.

Er führt die Klassiker an

Ist Rum bisher unter Ihrem Radar geblieben, so kann ich Ihnen versichern, dass Sie bereits mit dem „Kill Devil“ Bekanntschaft gemacht haben. Denn der sorgt in vielen der berühmtesten Cocktail-Kanonen für das zugehörige Schwarzpulver. Oder haben Sie noch nie einen dieser Drinks probiert: Cuba Libre, Mai Tai, Long Island Iced Tea, Mojito, Piña Colada, Daiquiri, Swimming Pool, Zombie oder Planters Punch? Wegen seiner Süße und Vielseitigkeit eignet sich Rum hervorragend für Cocktails und kann durch seine Aromenvielfalt ein und denselben Drink in viele verschiedene Richtungen lenken. Ein Mai Tai kann mit zwei unterschiedlichen Rums zum Beispiel komplett unterschiedlich schmecken.

Industrialisierung des Rums

Gemeinhin gelten zwei Pioniere als Erfinder der modernen (industriellen) Rumproduktion. Die beiden Herren heißen Felice Presto und Don Bacardi. Richtig. Der Name des zweiten Herren dürfte bereits vielen geläufig sein und die Vermutung stimmt. Die Firma „Bacardi“ entstand mit Don Bacardi und wuchs rasant an bis sie schließlich der größte Rumproduzent der Welt wurde (Und heute noch ist)! Auch in Deutschland hat der“Kill Devil“ eine lange Geschichte. In Flensburg zum Beispiel gab es zur Blütezeit über 200 Rumhäuser. Der Flensburger Hafen war in der Kolonialzeit ein Dreh- und Angelpunkt für die Schiffe der dänischen West-Indien-Flotte. Der Rum wurde damals als Rohprodukt nach Flensburg geliefert und anschließend von den Ansässigen veredelt und verfeinert. Heute zeugen noch zwei Rumhäuser von der Tradition. Ein großer Schritt Nachdem der Rum bereits über Jahrhunderte weite Teile der Welt begeistert hat, hat er durch seine Süße, seine Vielfältigkeit und seine Komplexität nun endgültig den Schritt ins Regal der Edelspirituosen des 21. Jahrhunderts geschafft. Der moderne Rum hat die rauchigen Spelunken auf Tortuga hinter sich gelassen, sich den Staub abgeklopft und ist mit offenem Hemd und schickem Sakko in die Edelbars dieser Welt marschiert. Ein Gaumenschmaus mit einer bewegten Geschichte!

Tipps für die Verkostung:

1. Ein Ballonglas oder zumindest ein bauchiges Glas verwenden. Darin kann der Schnaps seine Aromen voll entfalten.

2. Nur eine geringe Menge einschenken, schwenken und erst einmal riechen. Meist riecht man andere Nuancen, als man schmeckt.

3. Dann nippen, den Schnaps kurz im Mund behalten und ihn im Zungenbereich zirkulieren lassen. Durch die Zeit im Mund entfaltet die Spirituose wie bei Schalen einer Zwiebel seinen Geschmack (Bei Whiskey gilt die Faustregel: „Eine Sekunde pro Jahr“).

4. Beim Schlucken auf den Abgang achten: Wie lange bleibt der Geschmack? Verändert er sich? Welche Aromen kommen im Nachgeschmack im Mund durch?
       

Rum Facts

Das Wort Rum kommt vom englischen Dialektwort rumbullion, was für „Aufruhr“ oder „Tumult“ steht.

80% der weltweiten Rumproduktion kommen aus der Karibik.

Die älteste Rummarke ist „Mount Gay“ von der Insel Barbados. Die erste Flasche wurde 1703 verkauft.

Der Mindestalkoholgehalt von Rum liegt bei 37,5%.