Leben

Optimistisch und mit der Lust am Leben in die Zukunft blicken

Brustkrebs: Wie Dagmar Gard nach der Behandlung wieder durchstartet

Sport hat Dagmar Gard bei der Genesung geholfen. Foto: Jürgen Wunderle

Sport hat Dagmar Gard bei der Genesung geholfen. Foto: Jürgen Wunderle

Wangen.Im Sommer 2017 stand für Dagmar Gard einen Moment die Welt still: Diagnose Brustkrebs. Von einem Tag auf den anderen stellte sich ihr Leben auf den Kopf. Heute, drei Jahre nach Abschluss der Behandlung, erzählt sie, wie schnell das Leben eine neue Richtung nehmen kann, und was wirklich wichtig ist.Wie geht es dir heute?Dagmar Gard: Drei Jahre nach Abschluss der Behandlungen sehr gut. Körperlich und mental. Das liegt an mehreren Dingen:1. Ich habe ein stabiles Umfeld: eine liebevolle, großartige Familie, gute echte Freunde, einen spannenden Job mit tollen Kollegen und sichere finanzielle Verhältnisse.2. Dadurch, dass ich immer schon Sport getrieben habe, bin ich körperlich sehr fit in die Chemotherapie und die Operationen gegangen. Diese gute Ausgangsbasis und vor allem meine Disziplin – auch in der härtesten Zeit der Therapie etwas für meinen Körper zu tun – haben mir geholfen.3. Ich glaube auch, dass der Wettkampfsport – speziell Triathlon – eine große Stütze war und ist. Denn durch das Wissen um Trainingsplanung, Mentaltraining und Ernährung habe ich alles an der Hand. was ich brauche, um so zu leben wie ich es möchte.Und dennoch merke ich immer wieder die Nachwirkungen dieser schweren Zeit:Was ich meine, ist die Tatsache, dass die „Leichtigkeit“ ein Stück verloren gegangen ist. Ob nun der Krebstod einer Freundin im letzten Jahr oder wenn beim Radtraining ein Auto zu nahekommt – da ist immer ein Stück Angst, die mich begleitet. Positiv würde man sagen: mir ist meine Sterblichkeit sehr bewusst. Aber es gibt auch Tage, an denen das positiv Denken schwerer fällt als früher. Da gibt es Alpträume, Traurigkeit und auch Schmerzen an den Narben, die mich daran erinnern, dass ich nicht nur einen Schnupfen hatte.Hast du letztes Jahr die Trails rennen können, die du wolltest?Dagmar Gard: Als klar war, das Corona-bedingt kein großer Traillauf stattfinden wird, habe ich das The ma erstmal gestrichen. Und dennoch kam die Lust am Extremsport, besonders Triathlon, wieder hoch. Und so habe ich seit Winter 2020 das erste Mal wieder nach „Plan“ trainiert und bin für eine Mitteldistanz (Challenge Walchsee: 1,9 km Schwimmen, 90 km Radfahren, 21 km Laufen) Ende Juni angemeldet.Das erscheint vielleicht verrückt und nicht vernünftig – aber wie oben beschrieben: „memento mori“ - Niemand weiß, wie viel Zeit man noch hat im Leben, ich bin mir meiner Sterblichkeit bewusst. Und während der Chemotherapie entstand bei mir der Wunsch irgendwann wieder bei einem Ironman (3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren, 42 km Laufen) zu starten. Ich habe dafür das Jahr 2022 angedacht.Die Mitteldistanz ist ein Teilstück auf diesem Weg. Und ganz simpel: es tut mir gut mich beim Sport zu spüren, auch mal über die Grenzen zu gehen – dann weiß ich, dass ich lebe.Was hat dir, neben dem Sport, geholfen, wieder auf die Beine zu kommen?Dagmar Gard: Ich würde sagen die Lust am Leben. Vorfreude auf schöne Dinge und das TUN von schönen Dingen: Schwimmen im Bodensee, Zeit mit meinem Mann, Gitarre spielen, singen, mit meiner Tochter rumalbern, Wein trinken mit Freunden, feiern, gutes Essen, Zeit in der Natur – Sommer und Wärme.Aber auch: Normalität und nicht ständig an das „grausame Gestern“ denken. Dazu hat auch mein neues berufliches Umfeld beigetragen. Ich war und bin beruflich leidenschaftlich und engagiert und bin dankbar, dass sich da wenig geändert hat. Meine berufliche Tätigkeit im Marketing bei dem Pharmadienstleister Vetter in Ravensburg ist spannend, inspirierend und sinnvoll – denn das Unternehmen hilft, Patienten weltweit ein Stück Lebensqualität (zurück-) zu geben. Da schließt sich der Kreis.Erinnerst du dich an besondere, schöne oder positive Momente nach der Behandlung und während der Genesung?Dagmar Gard: Ja, es gab so viel schöne Momente. Wenn der Tod an die Tür klopft, dann werden die schönen Dinge noch intensiver. Um ein paar Beispiele während der Behandlung zu nennen:Absolut positiv waren die Gespräche mit meinem Onkologen. Ich hatte früher eine nicht sehr positive Meinung über Ärzte. Doch schon das erste Gespräch war unglaublich. Professor Decker von der ist Onkologie Ravensburg war eine der wichtigsten Personen während der Zeit für mich. Ein Menschenkenner und großartiger Arzt. Er hat mich als Individuum, als Mensch wahrgenommen und die Behandlung mir und meinem Leben angepasst. Ich konnte ihn wegen allem fragen und er hat mich nicht mit Standardantworten abgespeist – dafür bin ich sehr dankbar.Dann war da der erste Besuch bei meinen Eltern in Ungarn – drei Tage nach der ersten Chemotherapie. Ich erzählte ihnen das erste Mal von der Diagnose: sie haben es gehört, angenommen und das Beste draus gemacht. Das hat sehr geholfen. Denn es wäre schlimm gewesen, wenn sie mich wie „ein rohes Ei“ behandelt hätten.Außerdem war es eine Freundin, die sich mit mir in die Therapieräume gewagt hat, als ich eine Tiefphase hatte und nicht mehr hinwollte. Sie kam einfach mit – als sei es das normalste der Welt. Sie ignorierte einfach die bedrückende Atmosphäre und setzte sich zu mir. Während die Infusion über Stunden in meinen Körper floss, saß sie einfach dabei. Da habe ich gemerkt, dass ich nicht allein bin.Zudem war es ein Highlight, als mein Mann, meine Tochter und ich nach Italien in den Kurzurlaub fuhren, als die große, abschließende Operation vorbei war.Was hast du seit der Diagnose verändert?Dagmar Gard: Zuerst dachte ich, ich muss viel verändern – habe mich und vieles hinterfragt: Habe ich zu „intensiv“ gelebt? Zu viel Stress? Zu viel versucht in die Tage reinzupacken?Aber irgendwann kam die Erkenntnis: Ich habe nichts falsch gemacht!Krankheiten kommen, Krankheiten gehen. Die ständige Sinnsuche halte ich für nicht zielführend. Jeder hat sein „Päckchen“ zu tragen.Meine Lebenseinstellung war schon immer positiv. Ich versuche diese optimistische Sichtweise komplett wieder zu erlangen.Meinen Lebensstil habe ich nicht stark verändert. Eher Details: etwa umgebe ich mich nur mit Menschen, die mich glücklich machen. Menschen, die ständig jammern und nörgeln tun mir nicht gut. Und vielleicht ist es so, dass ich mich nicht mehr über Kleinigkeiten so sehr aufrege. Und mehr Dinge tue, die der Seele guttun.Maricci King