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Viele (Hasel-)Nüsse für Mustafa

Fotos: Mustafa Yilmaz, Stefanie Hesse

Fotos: Mustafa Yilmaz, Stefanie Hesse

Geröstet, gemahlen, zum Knabbern, in Plätzchen, Torten und Kuchen, als Schnaps, Likör, Nougatschokolade oder cremig-schokoladiger Brotaufstrich: Ohne Haselnüsse wäre die Welt der süßen Versuchungen doch um einiges ärmer und langweiliger. Und nicht nur das – gesund sollen die kleinen herzförmigen Strauchfrüchte auch noch sein. Außerdem: Schon seit Urzeiten als Nahrungsmittel bekannt und geschätzt, spielen Haselnüsse auch in Märchen und Geschichten oft eine bedeutende Rolle ...Auch in unserer Geschichte kommt der Haselnuss eine ganz bedeutende Rolle zu. Aber nicht nur dreien davon, nein, ganze Säcke voll Nüsse stehen in unserem „Märchen“ im Mittelpunkt. Also, dann mal ganz von vorne. Es war einmal ... ein Mann namens Haci-Mehmet, der lebte und arbeitete in Memmingen, reiste aber jedes Jahr im Urlaub in sein Heimatland, die Türkei, zu seiner Familie.

Dort gab es ein riesiges Grundstück mit zahllosen Haselnuss-Sträuchern. Sein Vater aber war zu alt, um die Nüsse noch zu ernten und sich um die Pflanzen zu kümmern, sodass alles verwucherte und sich niemand mehr um die Haselnüsse bemühte. Der Mann entschied sich dazu, das Lebenswerk seines Vaters fortzuführen und ab sofort seine ganze Kraft in den Erhalt und Wiederaufbau der Haselnuss-Plantage zu stecken ...
 

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Haselnuss-Sträucher soweit das Auge reicht.

„Das war vor 20 Jahren“, erzählt Mustafa Yilmaz. „Es hat meinen Vater wirklich viele Nerven und viel Energie gekostet, die Plantage wieder auf Vordermann zu bringen.“ Aber er hat es geschafft: Das sieben Hektar große Gebiet in der Schwarzmeer-Region umfasst heute rund 3 500 Pflanzen, „die der Großvater alle von Hand gesteckt hat.“ Dort, im etwas feuchten Klima am Meer, herrschen beste Bedingungen für den Haselnuss-Anbau. 70 bis 80 Prozent der Nüsse kommen aus dieser Region. „Die hohe Qualität schmeckt man einfach“, sagt Mustafa voller stolz. Eine Selbstverständlichkeit sei es für ihn gewesen, seinen Vater jedes Jahr zur Ernte auf der Plantage zu unterstützen. Und so geht es für den gebürtigen Memminger jedes Jahr in den Sommerferien für sechs Wochen zum „Arbeitsurlaub“ in die Türkei. Mit seiner Frau Steffi und seinen beiden Söhnen Isa und Timur.

Nachdem es seit fünf Jahren in Ordu einen Flughafen gibt, der sich auf einer künstlichen Insel im Schwarzen Meer vor Gülyalı befindet, muss die Familie die Reise auch nicht mehr mit dem Auto antreten. „Das würde ich nicht mehr mitmachen“, wirft Steffi ein und verzieht das Gesicht bei der Erinnerung an die beschwerliche Reise.
 

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Mustafa Yilmaz präsentiert voller Stolz seine Ernte – frisch verpackt und in tollem Design.

Dabei denkt sie auch an die vielen Koffer voller Nüsse, die sie, und auch einige Bekannte, von der Türkei mit nach Deutschland transportiert haben. „Zum Teil war der ganze Kofferraum voll damit“, seufzt die 47-Jährige. Denn Mustafas Haselnüsse waren gefragt in der Heimat: „Ich hab‘ noch nie solche guten Nüsse gegessen“ und „Hast du noch welche?“ – so schwärmten Bekannte und Freunde, an die er die begehrten Knabbereien verteilte. Und so kam Mustafa vor zwei Jahren ein Gedanke.

Der sich immer mehr zu einer fixen Idee entwickelte. Und schließlich zu einem realisierbaren Projekt. Mustafa überlegte sich, die Haselnüsse nicht mehr – so wie üblich in der Türkei – an einen der städtischen Nusshändler zu geben, sondern selbst als „Vermittler“ tätig zu werden. Da hing viel dran, wie der 43-Jährige erzählt: eine eigene Fabrik suchen zur Weiterverarbeitung der Nüsse, ein weiteres, welches die Nüsse röstfrisch vakuumiert und in recyceltem Papier verpackt – „Das war mir ganz wichtig“, betont Mustafa – und nicht zuletzt der Entwurf des Verpackungsdesigns. „Das hat meine Schwester Sibylla übernommen“, ergänzt Steffi. „Sie ist Grafikdesignerin in München.“
 

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Gesagt, getan. Doch bis es erst mal so weit ist und die Nusskerne überhaupt verpackt werden können, fällt jede Menge Arbeit an. Und zwar im Falle von Mustafa für die ganze Familie. Bereits im Frühjahr, im März und April, mache sich Papa Haci-Mehmet daran, die Haselnuss-Sträucher zu düngen. „Mit einem Gemisch aus Kuhmist vom Nachbarn und alten Haselnuss-Schalen“, erklärt Mustafa, der sich sein Wissen rund um den Haselnussanbau inzwischen von seinem Opa und seinem Papa angeeignet hat und hauptberuflich als Schichtführer bei der Firma Gelita arbeitet. Ende August werden die reifen Nüsse dann über zwei Wochen hinweg gepflückt. „Dafür sind 20 Leute im Einsatz, von acht Uhr morgens bis abends um sechs“, erzählt Mustafa. Alles einheimische Pflücker, darauf lege sein Vater großen Wert. Mit von der Partie ist natürlich auch die gesamte Familie.
 

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Nach dem Pflücken werden die Früchte dann von einer Schälmaschine aufgenommen, um sie von der Knolle zu befreien. Anschließend kommen sie dann zum Sonnen-Trocknen auf eine Plane. Ein wichtiger Vorgang, denn das in den rohen Nüssen noch vorhandene Arsen verpuffe beim Trocknen. „Wenn geernet wird, sitzt die ganze Familie buchstäblich in den Nüssen – von der Uroma mit ihren 86 Jahren bis zu den Kindern “, lacht Mustafa und erklärt, wie in Handarbeit jeder Stein und jede kaputte Nuss von der Plane geklaubt werden müsse. Wenn die Haselnüsse dann schließlich in die Fabrik verfrachtet werden zum Schälen und Rösten, sei die Hauptarbeit für die Familie erledigt. „Für mich noch nicht ganz“, schmunzelt Mustafa. Denn schließlich ist er ja jetzt für einen großen Teil der Haselnüsse verantwortlich und wie es damit weitergeht. 840 Kilogramm geröstete Nüsse hat die letzte Ernte ergeben – mehr gibt es nicht.
 

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Bei der Ernte hilft die ganze Familie zusammen.
 

„Wir verkaufen nur frische Saisonware“, betont Mustafa. Seinen ersten Import von der Türkei hat er vor rund einem viertel Jahr beim Zollamt in Memmingen abgeholt. Davon hat er schon einiges verschenkt und verkauft. Zum Beispiel im Frisörsalon seiner Frau Steffi, in der Waldnerstraße in Memmingen. Oder auch im Ristorante Victoria in der Augsburger Straße. „Es lohnt sich wirklich, unsere Nüsse mal zu probieren – der Geschmack ist einzigartig. Weil sie ganz erntefrisch verpackt werden“, schwärmt Mustafa. „Und gesund sind sie auch noch“, fügt Steffi hinzu. „Wegen ihrer Herzform seien sie gut fürs Herz, sagt man“. Aber Vorsicht: Mehr als eine Handvoll sollte es nicht sein – Haselnüsse sollen nämlich extrem potenzfördernd sein. „Das sagte schon mein Opa immer“, lacht Mustafa.

Und hier schließt sich der Kreis. Die Haselnussplantage wurde gerettet und damit also auch das Lebenswerk des Großvaters. Jahr für Jahr wurde die Familie mit einer beschaulichen Ernte belohnt und sie lebten glücklich und zufrieden. Text von Stephanie Hengeler-Zapp

Informationen unter Instagram: @mustafa.snaturhaselnuss