Herzmuskel- und Herzbeutelentzündung – immer wieder ist von diesen Szenarien zu hören: meist in Verbindung mit Erkältungen, Sport und nun auch mit Corona. Bei diesen Erkrankungen, die weitgehend die gleichen Ursachen haben, aber auch ähnlich diagnostiziert und therapiert werden, handelt es sich keineswegs um Ausnahmephänomene. Rund 200 Patienten im Jahr behandelt allein das Klinikum Kaufbeuren aufgrund dieser Diagnosen. Doch diese sind gar nicht so leicht zu stellen und die Dunkelziffer liegt weit höher. Warum das so ist und was die Medizin sowie jeder und jede einzelne gegen Myokarditis (Herzmuskelentzündung) und Perikarditis (Herzbeutelentzündung) tun kann, erläutert Kaufbeurens Kardiologie-Chefarzt PD Dr. Marcus Koller. Er ist Leiter des Herzzentrums Ostallgäu-Kaufbeuren und schickt das wichtigste gleich vorweg: Sich nach Infekten stets ausreichend schonen!„Hauptursache der beiden Entzündungen sind Virusinfekte“, erläutert Koller. Seit 2020 spiele auch die Corona-Pandemie dabei eine Rolle. Zehn bis 15 Prozent aller an Covid Erkrankten entwickeln nach seinen Worten eine Herzmuskelentzündung. Meist verlaufe diese glimpflich, da Corona eher die Lunge befällt. Irreführenderweise taucht die Entzündung im öffentlichen Diskurs aber häufiger in Verbindung mit den Corona-Schutzimpfungen auf. „Das gibt es in extrem seltenen Fällen auch“, sagt Koller. Doch handle es sich dabei um lediglich 0,005 Prozent. Weitere seltene Ursachen der Herzmuskel- und Herzbeutelentzündung sind Bakterien, die beispielsweise durch Zeckenbisse übertragen werden sowie Autoimmunerkrankungen wie die rheumatoide Arthritis. Auch die Bestrahlung des Brustkorbs, etwa bei der Therapie von Lungenkrebs, kann dazu führen.Doch Koller legt den Fokus aufgrund der schieren Masse klar auf Krankheiten, die durch Viren hervorgerufen werden. „Ganz häufig liegt die Ursache in verschleppten Infekten, wenn Patienten sich nicht ausreichend schonen“, erklärt er. Damit meint er vor allem, nach einer Grippe oder Ähnlichem zu schnell wieder Sport zu treiben, sowie sich hohem beruflichem Stress auszusetzen. Der Hintergrund: Viele Viren befallen auch Herzmuskel und Herzbeutel – nur bleibt dies oft ohne Symptome und damit unbemerkt. Wer sich nicht auskuriert, riskiert, dass es zur schweren Entzündung kommt. Häufig sind Männer jüngeren und mittleren Alters betroffen.Wie schwer die Entzündungen ausfallen, unterscheidet sich stark. „In 70 Prozent der Fälle heilt es folgenlos ab“, sagt Koller. Das geschieht meist innerhalb von vier Wochen. Aber in rund 15 Prozent der Fälle kommt es zu einer narbigen Ausheilung, sodass es zur Beeinträchtigung der Herzfunktion kommen kann. Weitere 15 Prozent der Betroffenen entwickeln chronische Entzündungen. Diese können zu Herzrhythmusstörungen sowie Herzschwäche führen und somit zu ernsthaften, in Extremfällen sogar lebensbedrohlichen Krankheiten werden.Problematisch ist, dass meist nur allgemeine und diffuse Symptome auf Myokarditis und Perikarditis hinweisen: Betroffene fühlen sich abgeschlagen, müde, haben Fieber oder Atemnot bei Belastung. Spezifischer fallen Schmerzen hinter dem Brustbein sowie Herzklopfen, -rasen und -rhythmusstörungen auf. Spätestens damit rät Koller beim Hausarzt vorstellig zu werden. Doch zur zweifelsfreien Diagnose verweist dieser idealerweise an ein Herzzentrum wie das am Klinikum Kaufbeuren. Dieses zeichnet mit Laboruntersuchungen, EKG, Herz-Ultraschall sowie einer speziellen Herz-Kernspintomografie (MRT) ein genaues Bild. Vor allem das Herz-MRT ist ein hochmodernes, auf Millisekunden getaktetes Verfahren, für das viel Expertise nötig ist.Sind Herzmuskel- oder Herzbeutelentzündung diagnostiziert, geht es an die Therapie. Wie auch bei der Prävention stellt körperliche Schonung den wichtigsten Baustein dar. Je nach Schwere des Verlaufs können entzündungshemmende sowie herzstärkende Medikamente helfen. Damit es gar nicht so weit kommt, rät Koller zu Impfungen gegen Infektionskrankheiten wie Grippe und auch Covid. Zudem hilft Sport (im gesunden Zustand) sowie abwechslungsreiche Ernährung, die ein gutes Immunsystem fördern. Weil sich Infekte aber gerade im Winter nicht immer vermeiden lassen, appelliert der Chefarzt: „Vor allem wenn Fieber dabei ist, sollte man sich ins Bett legen, Stress vermeiden und vor dem nächsten Sport genügend auskurieren.“
2022-05-30